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Schueler

© dpa

Schule: Mobbing: Die Lehrer sehen oft weg

Wenn Schule krank macht: Viele Kinder werden in der Schule gemobbt. Eltern beklagen, dass das Thema verharmlost wird.

Nach einer neuen Studie fühlen sich viele Kinder in der Schule unwohl, fast die Hälfte hat Erfahrung mit Mobbing. Der Rest folgt fast automatisch: Angst vor der Schule, Kopf- und Bauchschmerzen, Schlafstörungen, schließlich Schuleschwänzen. Die Studie über die Gesundheit der Berliner Schüler wurde am Mittwoch von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorgestellt. Und die Lehrer? Schauen oft genug weg. „Mobbing wird verharmlost“, sagt André Schindler vom Landeselternausschuss. „Schulleiter sprechen die Lehrerkollegen oft selbst dann nicht an, wenn die Fälle allen bekannt sind. Das muss anders werden.“ Es gebe auch Grauzonen, und oft genug sähen die Lehrer bei sich überhaupt kein Fehlverhalten. Schindler erzählt folgenden Fall: Das Mädchen Lisa war neu in der Klasse und hatte noch keine Freunde gefunden. Die Lehrerin betrat das Klassenzimmer und sagte zu den Schülern: „Schreibt mal alle auf, was ihr an Lisa nicht leiden könnt.“ Ist das nun Mobbing oder bloß unmögliches Verhalten?

Nach offizieller Lesart liegt nur dann Mobbing vor, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum gezielt drangsaliert wird – eine Gruppe sucht sich zum Beispiel ein Opfer, das in jeder Pause herumgeschubst, in die Ecke gedrängt, immer wieder erpresst wird. „Mobbing gibt es in allen Schultypen, die soziale Schicht ist hier kein Faktor“, sagt Ute Zimmermanns. Die Theaterpädagogin bietet Schulen Workshops zum Umgang mit dem Thema an. Auch sie hat die Erfahrung gemacht, dass Lehrer das Problem am liebsten abwälzen wollen. „Das klappt natürlich nicht“, sagt Zimmermanns. „Unsere Workshops dauern einen Vormittag. In dieser Zeit können wir ein echtes Mobbingproblem nicht lösen.“ Oft würden Klassen angemeldet, und die Lehrer wollten am liebsten gar nicht mitkommen. Dabei sei es extrem wichtig, dass die Lehrer nach dem Workshop am Thema weiterarbeiten. Meist würde sich die Mühe lohnen: „Wenn Lehrer eine gute Atmosphäre herstellen, lernen die Schüler viel besser.“ Die Schulverwaltung verweist auf die Hilfsprogramme, mit denen sie Schulen unterstützt, räumt aber ein: „Die Erziehung zu gewaltfreiem Umgang bleibt eine der großen Herausforderungen.“

Schulleiter Harald Mier sieht die Lage nicht ganz so dramatisch, jedenfalls beim Thema Mobbing. Der Begriff werde heute inflationär verwendet; was früher eine Hänselei oder Rempelei war, werde von Eltern heute auch schon als Mobbing bezeichnet. Mier beobachtet die Folgen: „Es nehmen mehr Leute die Angebote des schulpsychologischen Dienstes wahr“, sagt der Direktor des Zehlendorfer Schadow-Gymnasiums. Das liege auch daran, dass Kinder heute mehr Verständnis bei ihren Eltern fänden. „Wenn ich mit so was angekommen wäre, hätte mir mein Vater einen Vogel gezeigt und gesagt: Dann setz dich halt durch“, berichtet Mier.

Kinder seien untereinander grausam, weil sie die sozial akzeptierten Verhaltensweisen noch nicht gelernt hätten. André Schindler würde es schon reichen, wenn Lehrer sozial akzeptables Verhalten vermitteln würden. „Wenn ein Lehrer einen Vorfall beobachtet, sollte er fragen: ,Warum hast du das gerade gemacht?‘“, sagt Schindler. „Sonst lernen Schüler nur, dass man ungestraft mobben kann.“ Das darf nicht sein, findet auch Peter Sinram, Sprecher der Lehrergewerkschaft GEW. „Jeder Fall ist zu viel“, sagt Sinram. „Lehrer sind verpflichtet, sofort einzugreifen.“

Fatina Keilani

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