zum Hauptinhalt
Was Schüler wissen müssen, legen Lehrpläne fest.

© dpa

Bildung in Berlin: Schulen sollen die Kinder erziehen

Die Kinder in und um Berlin bekommen neue Lehrpläne. Die Schule soll auf die Überforderung vieler Eltern reagieren und auch Medienkompetenz vermitteln.

Von A wie Altgriechisch bis W wie Wirtschaft reicht die Palette der 28 Fächer, die in Berlin und Brandenburg unterrichtet werden. Aber was müssen Schüler eigentlich können, um erfolgreich die Schule zu durchlaufen? Diese Frage wird in beiden Bundesländern ab diesem Freitag gemeinsam neu beantwortet: mit den völlig aktualisierten Rahmenlehrplänen, die an diesem Tag mittags um zwölf Uhr ins Netz gestellt werden.

Die Spannung in den Schulen ist groß, weil erhebliche Veränderungen anstehen. Zu den wichtigsten Neuerungen gehört, dass die Erziehungsaufgabe der Schule noch stärker in den Vordergrund rückt. Dies soll wohl der Tatsache Rechnung tragen, dass viele Familien nicht in der Lage sind, ihren Kindern Grundlagen des Miteinanders zu vermitteln. Die Schulen sollen deshalb übergreifende Themen wie Gewaltprävention, Gesundheitsförderung, Suchtprävention, kulturelle Bildung, Verbraucherbildung, Geschlechtergleichstellung und Berufsorientierung systematisch im Unterricht verankern.

Die Schule soll die Überforderung von Eltern ausgleichen

In dieselbe Richtung zeigt auch die Tatsache, dass künftig Sprach- und Medienbildung fachübergreifend von allen Lehrern zu berücksichtigen sind: Auch hier soll die Schule auf die Überforderung der vielen Elternhäuser reagieren, die nicht imstande sind, ihren Kindern das wichtigste Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben.

Eine weitere einschneidende Veränderung besteht darin, dass es erstmals Lehrpläne gibt, die „aus einem Guss“ von Klasse eins bis zehn reichen. Zu den Konsequenzen gehört, dass thematische Doppelungen vermieden werden können, die sich bisher aus den separaten Plänen für die Grund- und Oberschulen ergaben. Dies könnte zur beabsichtigten „Entschlackung“ der Lehrpläne betragen, denn bisher ist es so, dass Themen wie beispielsweise der Nationalsozialismus in verschiedenen Schulstufen und Fächern immer wieder auftauchen, während für Themen wie etwa die Geschichte der DDR keine Zeit bleibt.

Klassische Literatur könnte verdrängt werden

Zur beabsichtigten „Entschlackung“ soll auch beitragen, dass auf bestimmte Inhalte ganz verzichtet wird. Die Schüler sollen stattdessen Kompetenzen beherrschen, mit deren Hilfe sie sich die entsprechenden Inhalte selbst erschließen können. „Klassische Literatur dürfte unter dieser Prämisse noch mehr verdrängt werden“, befürchten Deutschlehrer. Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern verlören somit die einzige Möglichkeit, überhaupt mit anspruchsvoller Lektüre konfrontiert zu werden.

Sorge gibt es auch über offene Fragen der praktischen Umsetzung. So ist völlig unklar, wie Lehrer künftig bei der Notengebung verfahren sollen, wenn Schüler mit und ohne Lernbehinderung in einer Klasse sitzen. Denn jetzt gilt für alle derselbe Rahmenplan, während bisher nach unterschiedlichen Lehrplänen unterrichtet wurde. Das bedeutete, dass der Lehrer bisher wusste, wie er eine bestimmte Leistung eines lernbehinderten Schülers bewerten sollte. Da für beide Schülergruppen künftig derselbe Rahmenplan gilt, muss entschieden werden, bei welcher Kompetenzstufe der Schüler mit und ohne Behinderung welche Note bekommt.

Noch herrscht große Ratlosigkeit

Diese Frage bewirkte schon bei den ersten Infoveranstaltungen Ratlosigkeit. Ebenso wie die Tatsache, dass, wie berichtet, im Geschichtsunterricht künftig weniger Gewicht auf eine chronologische Vermittlung des Basiswissens gelegt werden soll. Die Fachleute in den Bildungsverwaltungen der beiden Länder bitten um Geduld, da die neuen Rahmenpläne erst ab 2016/17 im Unterricht angewandt werden sollen. Vorgeschaltet ist eine Anhörungsphase, die bis Ende März 2015 dauern wird. In dieser Zeit können sich Lehrer, Eltern und alle Interessierten über das Onlineportal der beiden Bildungsministerien an der Diskussion beteiligen.

Die neuen Rahmenlehrpläne sind vom heutigen Freitag an ab zwölf Uhr im Internet zu sehen – unter www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/10331.html

Zur Startseite