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Attacken gegen Deutsche: Polizei vermittelt bei Schüler-Mobbing

Wenn sie beobachten, dass Schüler diskriminiert werden, sollen sich Lehrer künftig an die Polizei wenden, empfehlen Präventionsexperten. Bei einer Tagung berichten Schulleiter von "krassen Fällen".

Mehmet rennt hinter Jann her und tritt ihn von hinten, sodass er stolpert. Beide lachen und verlassen gemeinsam den Schulhof. Hier an der Carl-von-Ossietzky-Oberschule in der Blücherstraße in Kreuzberg verstünden sich Deutsche und Migranten eigentlich gut, sagen die beiden 15-Jährigen. Kurz nach ihnen kommen drei 16-jährige Jungs. „Hier sind zwar wir Deutschen die Ausländer, weil wir so wenige sind“, sagt einer. Von Kindern anderer Nationalitäten würden sie aber nicht gemobbt. „Es hilft, dass wir ausländische Freunde haben.“

Nicht an allen Schulen sollen Deutsche und Migranten so gut miteinander auskommen. Bei einer Tagung berieten letzte Woche Migrantenverbände, Schulleiter und Polizei über Deutschenfeindlichkeit und Antisemitismus. Presse war nicht eingeladen – damit „offen über krasse Fälle“ geredet werden könne, hieß es bei der Polizei. So berichtete eine Lehrerin, dass einige Schüler zum Aufsatzthema „Was mache ich in den Großen Ferien“ schrieben: „Ich fahre in die Heimat und töte Juden.“ Diese Lehrerin bat über den Präventionsbeauftragten die Polizei um Hilfe. Die ermittelte nicht, sondern vermittelte: Sie holte über den Moscheeverein die Eltern der Schüler und Lehrer an einen Tisch. Dafür gibt es seit Jahren Experten in jeder Polizeidirektion, die „Arbeitsgruppe Integration und Migration“.

„Wir bieten uns als Konfliktvermittler an“, sagt der Leitende Polizeidirektor Stefan Weiß. Dazu arbeitet die Polizei mit Moscheevereinen zusammen – aber nicht mit allen. „Manche wollen uns nicht, manche wollen wir nicht.“ Weiß empfahl Lehrern, schnell zu handeln, wenn sie deutschfeindliches Mobbing wahrnehmen. „Nicht zu viel dulden, das darf sich nicht verfestigen“. Denn nach Beleidigungen folgten möglicherweise Nötigung und Erpressung innerhalb der Klasse.

Die verstorbene Neuköllner Jugendrichterin Kirsten Heisig hatte die latente Deutschfeindlichkeit bereits vor Jahren angesprochen. So sei es bei Raubtaten durch muslimische Migranten üblich, das Opfer als Schweinefleischfresser oder ähnliches zu beleidigen. Auch Polizisten aus sozialen Brennpunkten berichten seit Jahren, dass sie beschimpft werden als „Scheiß Christ“ oder „Nazi“. Öft kämen auch Vorwürfe: „Du kontrollierst mich doch nur, weil ich kein Deutscher bin“.

Der Integrationsexperte der Berliner SPD, Raed Saleh, fordert eine Offensive von Schulen, Kiezinitiativen und Religionsgemeinschaften, um „das Berliner Wir-Gefühl“ zu stärken. Der Stolz auf die gemeinsame Heimat könne Jugendliche unterschiedlicher Herkunft zusammenbringen. Der grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu sagte: „Lehrer, aber auch Eltern sind gefordert, gegen deutschfeindliche Tendenzen vorzugehen.“

Die Leiterin des Hauptschulstandorts der Achten Integrierten Sekundarschule in Schöneberg, Renate Zühlke, sagte: „Das Thema ist uns bekannt: Wir gucken hin.“ Ein Schüler mit arabischem Hintergrund habe etwa behauptet, er könne nicht mehr mit deutschen Schülern in der Klasse sein. Die seien anders, habe er gesagt. Er habe schließlich wegen mehrerer Probleme die Schule gewechselt. Insgesamt betreffe das Problem allerdings einen kleinen Prozentsatz der Schüler.

Lehrer und Schulleiter aus Kreuzberg, Neukölln und Wedding sagten dagegen, es gebe keine „Hatz auf Deutsche“. „Als Schimpfwort fällt Kanake genauso wie Kartoffelfresser“, hieß es aus Kreuzberg. Auch die deutschen Schüler selbst sehen sich eher selten als Opfer. Man verstehe sich gut, heißt es. Tim, 17, allerdings ging nach der Grundschule in Neukölln nach Lichtenberg, weil er oft Ärger mit Migranten hatte: „Auch anderen Deutschen wurde aufgelauert.“

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