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Sekundarschulen: Auf gepackten Kisten

Nach den Ferien starten die Sekundarschulen. Die Fusionen und Umzüge stellen die Bezirke vor logistische Herausforderungen.

Wenn man Marina Belicke fragt, was sich in Kreuzberg-Friedrichshain in Sachen Sekundarschulreform tut, ist die Telefonleitung der Schulamtsleiterin erst mal eine Weile blockiert: In ihrem Bezirk kommt gerade ein regelrechtes Umzugskarussell in Gang. Zwischendrin, gibt Belicke zu, habe sie schon mal Bauchschmerzen gehabt angesichts der logistischen Herausforderung: Drei Schulen wechseln in den Ferien den Standort, zudem werden zwei weitere Schulen komplett umgebaut.

So wild wie in dem Innenstadtbezirk geht es allerdings nicht überall zu. In Lichtenberg etwa bleiben erst mal alle Schulen an ihrem Standort – auch die Fusionisten. „Innerhalb der nächsten zwei Jahre“ würden die zwei notwendigen Umzüge über die Bühne gehen, berichtet der zuständige Stadtrat Andreas Prüfer. Selbst für die Mittagsversorgung seien kaum Umbauten nötig, weil die Schulen seit DDR-Zeiten über Mensen verfügen.

Auch in Charlottenburg-Wilmersdorf herrscht Zuversicht. „Wir sind gut im Timing“, verkündet der Bezirk. Aus baulicher Sicht jedenfalls gebe es „keine Probleme“. Ebenfalls guten Mutes für einen planmäßigen Verlauf ist Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). Allerdings ist auch hier noch viel zu tun: An der Karsen-, Liebig- und Kepler-Schule entstehen Erweiterungsbauten. Je nach Standort sollen sie zwischen Oktober und Dezember fertig sein, während die Cafeterien der Siemsen- und Zuckmayer-Schule erst 2011 soweit sind.

Viel Baubetrieb herrscht auch in Marzahn-Hellersdorf. Etwa zehn Millionen Euro fließen hier aus dem Konjunkturpaket allein in die Sekundarschulen, berichtet Bildungsstadtrat Stefan Komoß (SPD). Einige Bauvorhaben sind abgeschlossen, andere ziehen sich bis 2011 hin – ebenso wie in Reinickendorf, wo Stadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) verkündet, dass „überall die Essensversorgung sichergestellt ist – allerdings mitunter auch provisorisch“.

„Es ist auch die Bereitschaft zur Improvisation gefragt“, sagt denn auch Siegfried Arnz, Referatsleiter in der Bildungsverwaltung, mit Blick auf den Start der 104 Sekundarschulen. Von ihnen sind etliche aus Fusionen hervorgegangen. Zwar ist der Protest nicht wirklich groß, weil das Reformziel – die Abschaffung der Hauptschulen – nahezu unumstritten ist. Allerdings hört man jetzt die ersten Klagen über die Umsetzung der Reform.

Beispiel Tempelhof-Schöneberg: Hier gibt es Probleme bei der Fusion von Werner-Stephan-Hauptschule und Dag-Hammarskjöld-Realschule zur „Integrierten Sekundarschule an der Ringstraße“: Bevor in etwa zwei Jahren alle Schüler im Gebäude der Hammarskjöld-Schule an der Ringstraße Platz finden, verbleibt ein Teil der Schüler vorerst am Standort der Hauptschule in Alt-Tempelhof. Die insgesamt zehn Kinder mit Behinderung werden dabei auf zwei Standorte verteilt – obwohl sie täglich zwei Schulstunden gemeinsamen Unterricht erhalten. Das bedeutet, dass die Integrationsschüler während der Unterrichtszeit pendeln müssen.

„Den behinderten Kindern steht jeden Tag ein Fahrdienst zur Verfügung, der sie morgens zur Schule und nach Schulschluss wieder nach Hause bringt“, sagt Patrizia Görisch, eine der betroffenen Mütter. Aber ein Fahrdienst, der die Kinder während der Unterrichtszeit von einer Schule zur anderen bringt, ist in der sonderpädagogischen Verordnung, die die betreuten Wegedienste regelt, laut Bezirksamt nicht vorgesehen.

Doch das ist nicht das einzige Problem, das dem Leiter der Hammarskjöld- Schule, Rainer Hensen, Kopfzerbrechen bereitet. Am Standort in der Ringstraße sind die Werkräume für das neu eingeführte Pflichtfach „Wirtschaft, Arbeit, Technik“ nicht fachgerecht ausgestattet. „Die Maschinen sind zum Teil veraltet, sodass kein praxisorientierter Unterricht geleistet werden kann“, sagt er. Es fehlt an Geld. Vom Bezirk, der als Schulträger für bauliche Maßnahmen zuständig ist, gibt es dafür keinen Euro zusätzlich – die Kassen sind leer. Daher wird auch der Bau der geplanten Mensa und die Einrichtung von Aufenthaltsräumen in der Ringstraße auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. So werden die Schüler auf Hockern im Foyerbereich mittagessen müssen. „Mobile Sitzgelegenheiten“ nennt Hensen das – und weiß derzeit auch keinen anderen Rat.

Bei anderen Sekundarschulen im Bezirk verläuft die Umstellung weniger problematisch. Die benachbarte Waldenburg-Schule, die mit der Luise-und-Wilhelm-Teske Schule fusioniert, hat zum Schulstart im August sogar drei Standorte. „Aber die Schüler am neuen Standort Grazer Platz können die Werkräume in den alten Räumen der Waldenburg- Schule in nur zehn Minuten Fußweg erreichen“, sagt Rektorin Renate Zühlke. An drei weiteren Schulen im Bezirk wird derzeit mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket gebaut, darunter an der Solling-Schule, die eine Mensa erhält. Pech für die Schüler an der Ringstraße: Als die Fördergelder Anfang 2009 vergeben wurden, war die Fusion der beiden Schulen noch keine beschlossene Sache.

Unter manchen Lehrern macht sich allmählich Frustration breit. Sie fühlen sich mit dem Chaos allein gelassen. „Der Bezirk verlässt sich darauf, dass die Lehrer Umzug und Unterricht schon stemmen werden“, sagt Rektor Hensen von der Hammarskjöld-Oberschule. Den schwarzen Peter will sich jedoch Bildungsstadtrat Dieter Hapel (CDU) nicht zuschieben lassen – er gibt ihn an die Landesregierung weiter. „Es ist ärgerlich, dass der Senat die Schulstrukturreform beschließt, aber die Umsetzung dann auf die Bezirke abwälzt, ohne einen Cent beizusteuern“, sagt er. Die Bauabteilung sei dabei, die Kosten für die Umbauarbeiten an der Hammarskjöld-Schule zu schätzen, an deren Notwendigkeit auch der Bezirk nicht zweifelt. Bis die Gelder bewilligt sind, so Hapel, müsse sich die Schule eben behelfen.

Auch in Kreuzberg läuft nicht alles nach Plan: Bildungsstadträtin Monika Herrmann (Grüne) will unbedingt eine gymnasiale Oberstufe an der Sekundarschule im Wrangelkiez. Die Bildungsverwaltung hingegen bezweifelt, dass dafür die Nachfrage reichen wird. Sie schlägt vor, dass die Schulen sich mit dem Oberstufenzentrum Wrangelstraße zusammentun. „Hierzu ist allerdings noch keine Entscheidung getroffen worden“, betont Arnz. Sicher ist bisher nur: Die Großreform birgt noch manche Herausforderung.

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