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Rund 5000 Lehrer streikten am Montag an Berliner Schulen. In Mitte kamen sie zu einer Demonstration zusammen.

© dpa

Schule: Aufstand der Angestellten

An rund 400 Schulen wurde den ganzen Tag gestreikt. Eigentlich geht es um den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst. Doch in Berlin bedrückt die angestellten Lehrer etwas ganz anderes.

Sie tragen rote Leibchen, auf ihren Transparenten ist „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ zu lesen. Zu siebzehnt steht eine Gruppe von Lehrern vor dem Gymnasium Tiergarten. Einige machen Krach mit ihren Trillerpfeifen, andere schwenken die rot-weiße Fahne der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hin und her. Seit 7.30 Uhr, kurz vor Schulbeginn, haben sie sich vor dem sechsgeschossigen Neubau am Hansaplatz versammelt. Schüler laufen an ihnen vorbei.

Trotz angekündigter Warnstreiks sind viele der Oberstufenschüler am Montagmorgen zur Schule gekommen. Sie wissen nicht, ob ihre Lehrer da sein werden oder ebenfalls streiken. Ein paar Mädchen der siebten Klasse gehen die Eingangstreppen hinunter. Sie wollen erst mal gucken, ob ihr Unterricht heute überhaupt stattfindet. „Wir haben vergessen, auf den Vertretungsplan zu schauen“, sagen sie. Der Vertretungsplan hängt hinter einem Glaskasten im Foyer und ist drei Seiten lang. Eine Gruppe von Achtklässlern hat gerade festgestellt, dass ihr Französischunterricht ausfällt. „Ich finde es gut, dass die Lehrer für ihre Rechte kämpfen“, sagt ein 13-jähriger Junge. Für die Schüler von verbeamteten Lehrern fing der Unterricht dagegen pünktlich um acht Uhr an.

Denn nur die angestellten Lehrer gingen am Montag auf die Straße, um ihren Forderungen nach mehr Lohn Nachdruck zu verleihen. Sie fordern eine tarifvertragliche Eingruppierung für angestellte Lehrkräfte, außerdem 6,5 Prozent mehr Lohn sowie keine Kürzungen beim Urlaub.

Für viele der Berliner Lehrer ist außerdem die Gleichbehandlung von angestellten und verbeamteten Pädagogen ein wichtiges Streikargument, auch wenn dies im aktuellen Tarifstreit offiziell keine Rolle spielt.

Seit 2004 werden angehende Lehrkräfte in Berlin nicht mehr verbeamtet. Am Gymnasium in Tiergarten sind 30 von 120 Lehrern davon betroffen. Einer von ihnen ist der 34-jährige André Hermann. Seit eineinhalb Jahren unterrichtet er Mathematik, Philosophie und Ethik. „Es kann nicht sein, dass in einer SPD-regierten Stadt soziale Ungerechtigkeit im Lehrerzimmer herrscht", sagt er. Er wolle mit seiner Beteiligung am Streik deutlich machen, dass es drei unterschiedliche soziale Schichten an den Schulen gebe, nämlich die alten Beamten, die Angestellten und jene Beamten, die aus anderen Bundesländern kämen und deutlich mehr verdienen würden. In 40 Dienstjahren seien das bis zu 100 000 Euro Lohnunterschied, sagt Florian Bublys von der Lehrerinitiative Bildet Berlin. Er ist ebenfalls Lehrer am Gymnasium Tiergarten. „Das wird vermutlich nicht der einzige Streik in diesem Jahr sein“, sagt er.

Pünktlich zur ersten großen Pause um kurz vor zehn macht sich die Lehrergruppe auf zur großen Demonstration in der Stadtmitte. Am U-Bahnhof Klosterstraße treffen sie auf rund 5000 weitere angestellte Lehrer und Erzieher. Sie tragen die gleichen roten Leibchen und Fahnen der GEW. Die Lehrer kommen von rund 400 Schulen, aus Steglitz, Neukölln, Mitte und weiteren Bezirken. Um 10.30 Uhr zieht der Demonstrationstross quer durch die Innenstadt. Mit Trommeln und Trillerpfeifen laufen sie an den Touristen vor dem Historischen Museum vorbei. „Die Arbeitsbelastung wird immer höher“, klagt eine Erzieherin. Eine Grundschullehrerin aus Kreuzberg nennt es einen „schleichenden negativen Prozess“, der seit vielen Jahren ihren Berufsalltag belaste. Mit ihren vier Arbeitskolleginnen trägt sie ein Transparent: „Sparen an angestellten Lehrern, heißt sparen an der Zukunft der Kinder“ steht dort in gelber Neonschrift.

Auch die Mutter einer neunjährigen Schülerin aus Spandau ist aus Solidarität gemeinsam mit Tochter und Nichte dazugestoßen. „Mehr Geld verdienen möchte natürlich jeder“, sagt sie. Sie unterstütze vor allem die Forderung nach einem deutschlandweiten Tarifvertrag für angestellte Lehrer. „Meine Tochter habe ich mitgenommen, damit sie sieht, warum ihr Unterricht heute ausfällt“.

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