zum Hauptinhalt

Schule: Berliner Hightech für den Autobau

In Charlottenburg entwickelt eine Firma moderne Produktionstechniken und simuliert ganze Fabriken

Audi kommt aus Ingolstadt, VW aus Wolfsburg und Mercedes-Benz aus Sindelfingen. Doch viele Ideen für den Autobau von morgen – die kommen aus Berlin. Bereits vor 20 Jahren wurde hier die Inpro gegründet, die Innovationsgesellschaft für fortgeschrittene Produktionssysteme in der Fahrzeugindustrie. BMW, Daimler-Benz, Siemens, Volkswagen und das Land Berlin gehörten damals zu den Gesellschaftern. DaimlerChrysler, VW und Berlin sind noch heute mit dabei, zusammen mit BASF Coatings, ThyssenKrupp Automotive und dem Maschinen- und Anlagenbauer IWKA.

Ohne die Universitäten Berlins hätte es die Inpro aber wohl kaum gegeben. Denn wie so manches erfolgreiche Unternehmen in der Hauptstadt verdankt sie ihre Existenz den Potenzialen der Hochschulen – und der Unterstützung durch die Politik. 1982 beschloss die vom damaligen Bundeskanzler einberufene Konferenz zur Stärkung der Wirtschaftskraft Berlins, in der Stadt eine Innovationsgesellschaft für Produktionstechnologie zu schaffen.

Mit ihren 110 Mitarbeitern, unter ihnen 37 Werkstudenten, gehört die Inpro, die dieser Tage ihr 20-jähriges Jubiläum feierte, zu den Kleinoden der Stadt im Bereich der Automobilindustrie. Zwar blieb Berlin – die Stadt, in der DaimlerChrysler und BMW seit langem produzieren, bei deren Expansion in die neuen Bundesländer ausgespart, aber im Umfeld der Berliner Hochschulen entstanden dafür mehrere Unternehmen, die ohne deren Potenzial nicht denkbar wären. Dazu gehören die in der Nähe der Inpro im Charlottenburger Spreebogen beheimatete Gedas, der Informationstechnologie-Dienstleister von Volkswagen, und auch die IAV-Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr – und eben die Inpro. Die ist vor allem eine Denk- und Erprobungsfabrik, zu deren Hauptaufgaben es gehört, aktuelle Forschungsergebnisse schnell in praktische Verfahren für die Automobilwirtschaft umzusetzen, ihr Schwerpunkt ist die Produktionstechnik.

Als Verbraucher blicken wir ja immer wieder auf die neuesten Schöpfungen der Automobilentwickler, lassen uns von Design, Technik, Fahrleistungen und Innovationen der neuesten Automodelle begeistern. Doch die Entwicklung neuer Modelle ist nur die eine Seite. Denn diese Autos müssen auch gebaut werden. Und dafür braucht man Fabriken, Techniken, Werkzeuge, Werkstoffe und Fertigungsabläufe, die nicht weniger anspruchsvoll und wegweisend sind wie die neuen Autos – und ebenso faszinierend, wie die Produkte, die aus ihren Fertigungshallen rollen.

Einige Beispiele aus dem Spektrum Inpro-Aktivitäten zeigen, wie diese ihren Teilhabern im harten Wettbewerb Technologievorsprünge verschaffen – etwa bei dem bereits seit Jahren immer wichtiger werdenden Karosseriebau aus Leichtmaterialien. Denn weniger Gewicht bedeutet auch weniger Verbrauch, was aus ökonomischen und auch ökologischen Gründen höchste Priorität genießt. Modernste leichte Stähle oder auch Edelstähle müssen allerdings anders verarbeitet werden als konventionelle Karosseriebleche. Allein ihre viel glatteren Oberflächen erfordern andere Werkzeuge beim Umformen und spezielle Techniken beim Fügen, dem Verbinden einzelner Bleche zu Karosseriekörpern, sowie bei der Oberflächenbehandlung – beim Lackieren.

So haben bestimmte sehr dünne Stähle beim Tiefziehen in den Presswerken das Bestreben, anschließend zurückzufedern. Eine Eigenschaft, der man zum Beispiel durch das Umformen bei hohen Temperaturen entgegenwirken kann. Gezielte Wärmebehandlung (Vergüten) verbessert zugleich die Materialeigenschaften. Diese Erfolge verlangen eine gezielte Entwicklung von geeigneten Verarbeitungsverfahren und ebenso nach einer genauen Planung der dafür erforderlichen Arbeitsabläufe. Denn Produktion bedeutet immer einen optimalen Einsatz von Technik, Material und menschlichen Ressourcen.

Da zählt es natürlich, ob man ein Blech in einem oder zwei Schritten in die gewünschte Form bringt, wie viele Werkzeuge man benötigt, wie lange der Prozess dauert, welchen Platz die Produktionsanlage benötigt, wie hoch der Energieeinsatz ist und wie zuverlässig die dabei gewünschte Qualität erreicht werden kann. Und es fasziniert, wenn man in einer modernen Fahrzeugfertigung sieht, wie eine Vielzahl von Robotern beim Zusammenfügen einer Karosserie die Schweißpunkte setzt oder bei modernen Autos Bleche mit Hilfe von Lasern zusammenfügt – so hat der in diesem Herbst auf den Markt kommende Golf der fünften Generation 75 Meter lasergeschweißte Nähte.

Wer lässt die Roboter tanzen?

Doch nach welcher Choreographie bewegen sich die hier aktiven Roboter? Dahinter steckt eine ausgesprochen aufwändiges Computerprogramm, das es schafft, die Bewegungsabläufe der einzelnen Roboterarme und ihre Zangen so zu steuern, dass ihre Kapazitäten optimal genutzt werden, die Standorte so zu wählen, dass – wie heute üblich – auch Karosserien verschiedener Modellreihen problemlos auf einem Band geschweißt werden können. Abläufe, die möglichst schon bis zum letzten Teilschritt feststehen, bevor überhaupt der erste Roboter aufgestellt wird, ja oft schon, bevor die Fabrik gebaut wird.

Und das ist eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder von Inpro: die Installation der digitalen Fabrik, die Simulation jedes einzelnen Teilschrittes und schließlich des kompletten Fertigungsprozesses auf dem Rechner – lange bevor die Bauhandwerker mit ihrer Arbeit beginnen, die Maschinen bestellt werden, die Werkzeuge in Auftrag gegeben werden. Auf dem Rechner arbeitet diese Fabrik noch bevor die für den Bau erforderlichen Investitionen getätigt werden. Dort sind die einzelnen Arbeitsabläufe bis hin zur genauen Gestaltung der Arbeitsplätze bereits definiert, und die Logistiker haben schon errechnet, auf welchen Wegen die Module der Zulieferer ans Band geführt werden. Es ist bereits geplant, wie das Netzwerk der Lieferanten aussieht, das die Fabrik beliefert und die Wege, auf denen die fertigen Fahrzeuge ausgeliefert werden, stehen fest. Zugegeben, in dieser Perfektion ist das noch eine Vision – eine Vision aber, der man bei Inpro in vielen Bereichen schon recht nahe gekommen ist und die bei der Simulation einzelner Teilprozesse in der Fertigung seit langem perfekt funktioniert.

Einer Fertigungsweise, die immer neue Probleme aufwirft. Etwa durch die Mischbauweise moderner Autos, wo es nicht nur gilt, verschiedene Metalle untereinander, sondern auch Metalle und Kunststoffe miteinander zu verbinden. Oder durch neue Fertigungsverfahren wie das Hydroforming, bei dem hohle Bauteile wie Fahrwerkselemente durch Flüssigkeiten mit hohem Druck von innen gegen eine äußere Form gepresst und so gestaltet werden. Hier kann Inpro mit seiner hohen Rechnerkapazität schnell die erforderlichen Werkzeuge modellieren.

Ein weiterer Schwerpunkt der Berliner Denkfabrik für moderne Produktionstechniken ist die Lackierung. Wie lassen sich Roboter am effektivsten einsetzen, um automatisch eine komplette Karosserie mit Füller zu versehen? Wie muss die Luft in einer Lackierkabine geführt werden, um die Verschmutzung der frisch lackierten Karosserien durch aufgewirbelte Staubteilchen auszuschließen? Wie verlaufen die Strömungen in einem Tauchbad? Wie wird sichergestellt, dass jeder Winkel grundiert wird und alles überschüssige Material abläuft? Und auch die optimale Steuerung der äußerst energieintensiven Trocknung ist ein Arbeitsfeld der Inpro – ein Prozess, den beispielsweise Jaguar bei der aus Aluminium gefertigten Karosserie seines neuen XJ gezielt nutzt, um die genieteten Klebeverbindungen auszuhärten. Welchen Stellenwert die Lackierung hat, zeigt sich darin, dass sie ebenso viel kostet wie der Karosserierohbau.

Farbige Folien statt Lack

Aber muss man ein Auto überhaupt lackieren? Für viele Bauteile gibt es heute interessante Alternativen, so etwa bei vielen Kunststoffbauteilen des Smart. Diese bestehen zum Teil aus vorgeformten Dekor- und Lackfolien mit fertiger Oberfläche im Finish, die mit Füllmaterial hinterschäumt oder hinterspritzt werden. Eine Technik, die bei Karosserien mit einer Mischung aus lackierten Blechen und Kunststoffen allerdings große Probleme bereitet, wenn es darum geht, die Farbtöne und Oberflächenstrukturen anzupassen. Folie statt Lack hat dennoch das Potenzial, sich zu einer viel versprechenden Oberflächentechnik zu entwickeln – bei vorbeschichteten Blechen und auch, um komplette Karosserien zu kaschieren. So verbirgt sich heute schon unter der elfenbeinfarbenen Lackierung einiger Taxis ein völlig anders lackiertes Auto, dem lediglich eine Folie in der Taxifarbe übergezogen wurde. Eine zweite Haut, die sich nach wenigen Jahren problemlos entfernen lässt.

Da Autos zunehmend in Kommunikationssysteme eingebunden sind, werden für Mobiltelefone, den Internetzugang und GPS immer mehr Antennen erforderlich – bis zu 16 sind es bereits heute, die zum Teil in Scheiben integriert werden und künftig immer öfter auch als leitfähige Schichten auf Karosserieteile aus Kunststoff aufgebracht werden. Schon wird mit elektrisch leitfähigen Polymeren experimentiert, die in der Lage sind, Licht auszusenden. Inpro – im Netzwerk zahlreicher Hochschul- und Forschungsinstitute, die mit der Berliner Denkfabrik kooperieren oder in ihrem Auftrag tätig werden – ist längst auf dem Weg, solche Techniken zu untersuchen.

Ein Blick in die Zukunft des Automobils, der bei diesem Unternehmen ein eigener Arbeitsbereich gewidmet ist. Technology Watch ist darauf ausgerichtet, künftige Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und bei neuen Produktionsverfahren zu berücksichtigen. Immer öfter setzen die an Inpro beteiligten Partner Hightech aus Berlin ein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false