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Berufungen: "Die Länder sollen Quoten festlegen"

Neue Studie zu Berufungen: Nur klare Vorgaben erhöhen Chancen von Frauen in der Wissenschaft.

„Das ist mir zu weich.“ Die Politikwissenschaftlerin und Genderforscherin Christine Färber kritisiert die jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) veröffentlichten „forschungsorientierten Gleichstellungsstandards“. Es sei falsch von den Forschungsförderern, „die Quote an die Hochschulen zu verschieben“, sagt Färber, die soeben eine vom Bundesforschungsministerium finanzierte Studie zur Chancengleichheit in Berufungsverfahren vorgelegt hat. Die DFG hätte ein deutlicheres Signal geben müssen und ihre Mittelvergabe etwa an den Anteil promovierter Frauen in einzelnen Fächern binden sollen, sagt Färber, 1991 bis 1999 Frauenbeauftragte der FU Berlin und heute Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.

Die DFG empfiehlt Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen, „sich selbst zu einem Kaskadenmodell zu verpflichten“, sagt Präsident Matthias Kleiner. Die Institutionen sollten sich selbst Ziele für die Steigerung des Frauenanteils auf einer bestimmten Qualifikationsstufe setzen, und zwar vor dem Hintergrund des Frauenanteils auf der vorausgehenden Qualifikationsstufe. Eine Frauenquote bei der Besetzung von Professuren lehnt Kleiner dagegen ab. Zu einem anderen Schluss kommen Färber und ihre Koautorin, die Juristin und Gleichstellungsexpertin Ulrike Spangenberg. Die Autorinnen fordern einen „grundlegenden geschlechterpolitischen Kulturwandel“: Nur Quoten würden in einem überschaubaren Zeitraum dazu führen, dass Frauen verstärkt berufen werden. Die Länder sollten „Ergebnisquoten“ für die Berufung von Frauen festlegen. „In der Medizin, wo ein Großteil der Studierenden weiblich ist, sollte eine Quote von 50 Prozent angepeilt werden“, sagt Färber.

Die Ausgangslage für Chancengleichheit bei Berufungen ist denkbar schlecht. In Interviews klagten Bewerberinnen, „dass zurzeit Intransparenz und Unübersichtlichkeit, männerdominierte Auswahlgremien und Bewertungssysteme informelle Netzwerke stärken, die Frauen tendenziell ausschließen“. Von den interviewten Frauen nannten die meisten darüber hinaus „offenes Desinteresse oder Abwertung bis hin zu Angriffen“ als ihre persönlich wichtigste Erfahrung. Eine Vergleichsgruppe männlicher Bewerber hob diese Aspekte weniger stark hervor. Alle Bewerber betonen die große Rolle von Netzwerken in Berufungsverhandlungen, die Frauen beschreiben sich allerdings als „sehr schlecht vernetzt“.

Färber und Spangenberg kritisieren zudem, dass die Auswahlkriterien „oft im Verfahren männlichen Favoriten angepasst“ würden. So nutzten Berufungskommissionen Lebensalter, Zahl der Publikationen oder Höhe der Drittmittel „nicht selten als scheinobjektive Kriterien“. „Ein möglicher Gender-Bias“, also Faktoren, die dazu führen können, dass hochqualifizierte Frauen später habilitiert werden oder weniger publizieren, würden dabei nicht berücksichtigt. „Männer werden oft an Frauen vorbei gefördert“, sagt Färber. Für die Studie wurden außer den Bewerbern auch Vorsitzende von Berufungskommissionen und Frauenbeauftragte befragt, daneben wurden Dokumente zur Berufungspraxis analysiert.

Damit Frauen in Berufungsverfahren die gleichen Chancen erhalten wie Männer, sollten Verfahrensabläufe, die Kommunikation und die Auswahlkriterien verändert werden. Die Autorinnen fordern ein Qualitätsmanagement. So sollten die Verfahren gestrafft werden, unter anderem um zu verhindern, dass im Vorfeld der Entscheidung für einen Kandidaten Intrigen gesponnen werden. Nicht gekürzt werden dürfe allerdings die Zeit, die es kostet, qualifizierte Bewerberinnen einzuladen oder die Gleichstellungsbeauftragten einzubeziehen. Auswahlkriterien sollten vor dem Verfahren festgelegt und auch eingehalten werden.

Landesregierungen und Unileitungen müssten dafür sorgen, dass Gleichstellungsaspekte in Berufungsleitfäden verbindlich verankert werden, was bislang nicht der Fall sei. Der Bund könnte eine Ombudsstelle für Beschwerdefälle einrichten und eine Datenbank über Wissenschaftlerinnen und freie Stellen einrichten. Die Länder sollten Berufungsergebnisse kontrollieren und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie finanziell unterstützen, etwa um Doppelkarrieren zu fördern oder Kinderbetreuung zu garantieren. Die Hochschulen werden aufgefordert, Berufungskommissionen mit mindestens 40 Prozent Frauen zu besetzen und Frauen in Verfahren besonders zu berücksichtigen.

Christine Färber, Ulrike Spangenberg: Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008. 397 Seiten, 34,90 Euro.

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