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© Kitty Kleist-Heinrich

Bildungspolitik: Schulreform: Streit ums Sitzenbleiben

Vor Abstimmung der Schulreform fordert die Opposition Änderungen. Bei Gymnasien bleiben Probejahr und Versetzung umstritten.

Heute geht die Schule wieder los – und pünktlich zum Start wird am Donnerstag im Schulausschuss des Abgeordnetenhauses die Schulstrukturreform beraten. Strittige Punkte gibt es im Gesetz allerdings noch immer: Im Änderungsantrag, den die grüne Fraktion am Donnerstag einbringen will, werden etwa die Abschaffung des Probejahrs und des Sitzenbleibens am Gymnasium gefordert.

„Wir möchten, dass beide zukünftigen Schulformen – Gymnasium und Sekundarschule – wirklich gleichwertig sind“, sagt der grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu. „Wir wollen das Sitzenbleiben am Gymnasium abschaffen, damit die Gymnasien gezwungen sind, individuelle Förderung zu praktizieren und kein Kind zurückzulassen.“ Auch der Vorsitzende des Landesschulbeirats Peter Wisniewski sagte, das Sitzenbleiben sei ineffektiv und teuer, er werde den Antrag unterstützen. „Wenn Kinder sitzen bleiben, werden sie nicht motiviert, sondern frustriert“, sagte er. Sinnvoller sei, Kinder am Gymnasium wie in skandinavischen Ländern individuell zu fördern.

Das sehen nicht alle so. Landeselternsprecher André Schindler etwa gehört zu denen, die das Sitzenbleiben beibehalten wollen, „denn dann setzen sich manche Kinder doch noch auf den Hosenboden“. Auch CDU-Bildungsexperte Sascha Steuer will den Gymnasien diese Möglichkeit nicht nehmen. Ralf Treptow, Direktor des Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasiums und Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, hält Mutlus Vorschlag sogar für „völlig abwegig“. Klaus Brunswicker von der Schöneberger Sophie-Scholl-Gesamtschule und Bernd Kokavecz, Leiter des Tegeler Humboldt-Gymnasiums, halten das Sitzenbleiben als „letztes Mittel“ für durchaus sinnvoll. Die Schüler hätten in einem solchen Fall in mindestens zwei bis drei Fächern Probleme, so Kokavecz. Sie bekämen dann die Chance, die Defizite aufzuholen.

Bislang können Kinder in Berlin an Gymnasien sitzen bleiben – und so soll es auch nach der Schulstrukturreform bleiben. Wenn ein einzelnes Gymnasium diese Regel für sich ändern will, ist das möglich. Derlei Anträge lägen jedoch nicht vor, hieß es bei der Senatsbildungsverwaltung. Ab der siebten Klasse sind im Gymnasium im vergangenen Schuljahr rund 300 Schüler pro Jahrgang sitzen geblieben. Für Schüler am Gymnasium ist außerdem ein Probejahr vorgesehen – wenn sie es nicht bestehen, müssen sie auf die Sekundarschule wechseln.

In der Sekundarschule soll das Sitzenbleiben im Gegensatz zum Gymnasium nur noch als freiwilliges Wiederholen oder in Verbindung mit einer Bildungs- und Erziehungsvereinbarung und der Zustimmung der Eltern möglich sein. Bei einer solchen Vereinbarung soll bewertet werden, ob das Wiederholen im Einzelfall sinnvoll ist. Gegebenenfalls soll der Schüler versetzt und etwa mit Hilfe von Schularbeitsstunden und einer differenzierten Förderung weiterbetreut werden.

Die SPD wird Mutlus Änderungsantrag am Donnerstag im Schulausschuss nicht zustimmen. „Wir sind zwar auch gegen das Sitzenbleiben an Gymnasien, wollen das aber jetzt nicht regeln“, sagte SPD-Bildungssprecherin Felicitas Tesch. Sie plädiert dafür, „einen Schritt nach dem anderen zu tun“ und erst mal die Sekundarschule einzuführen. Im Änderungsantrag der Grünen wird neben der Abschaffung des Sitzenbleibens am Gymnasium außerdem gefordert, dass bei der Zusammenlegung von Schulen im Rahmen der Reform die Stelle des Schulleiters nicht wie bisher nur nach Dienstgrad, sondern nach „Qualität und Leistung“ besetzt wird. Behinderte und nicht behinderte Kinder sollen gemeinsam beschult werden, außerdem soll das Konzept zum Dualen Lernen „nicht nur eine leere Floskel bleiben oder zu einem neuen Schulzweig in der integrierten Sekundarschule führen“, so Özcan Mutlu.

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