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Bildungsprotest: 10.000 streikende Schüler erwartet

Berliner Schüler machen mobil für den Streiktag am Mittwoch. Sie fordern Chancengleichheit und mehr Mitbestimmung. Das geplante zweigliedrige Schulsystem lehnen sie ab.

Vor und in der Aula des Max-Planck- Gymnasiums in Mitte herrscht geschäftiges Treiben, politische Botschaften kleben an Wänden und liegen auf Infotischen. Innen diskutieren mehr als 60 Schüler von Berliner Schulen in kleinen Gruppen, woran das Schulsystem krankt und wie man das ändern könnte. Es geht um gemeinsamen Austausch auf der Landesschülerkonferenz (LSK), die den Auftakt der bundesweiten Aktionswoche zum Bildungsstreik bildet. Ein breites Bündnis von Schülern, Studierenden, aber auch Lehrern und Dozenten ruft am kommenden Mittwoch zu einer bundesweiten Bildungsdemonstration auf. „Wir rechnen mit einem Minimum von 10 000 Teilnehmern“, sagt Lee Hielscher, seit 2006 im Rat der Landesschülerkonferenz aktiv. Die Polizei hingegen geht von zirka 5000 Personen aus.

Die Berliner Schüler, die sich bei der LSK eingefunden haben, wollen das Bildungssystem ändern. Hauptanliegen sind selbstbestimmtes Lernen, mehr Demokratie im Schulalltag und Chancengleichheit im Bildungssystem. „Wir sagen nicht einfach Nein zu den bestehenden Strukturen, sondern haben Alternativen parat“, sagt Hielscher. Über die Teilnehmerzahl an der Konferenz kann er nicht meckern. „Es sind sehr inhaltsstarke Diskussionen“. Die nächste Versammlung ist schon geplant.

Politik und Gesellschaft müssten der Schülerschaft nur noch zuhören. Doch Gehör zu finden ist nicht leicht: „Viele Schüler sind enttäuscht, dass sie kein Mitspracherecht haben bei Prozessen, die sie direkt betreffen“. Zwar gebe es den Landesschülerausschuss und den Rat der LSK, aber dort seien nur wenige Schüler engagiert. „Problematisch ist doch, dass es im Unterricht meist kein Forum gibt für Themen außerhalb des Lehrplans, wo Schüler aber Redebedarf haben“, so der 20-jährige Abiturient.

Eine Gruppe sitzt in einer Ecke, Thema: Europawahl. „Ihr habt wenigstens darüber gesprochen. Bei uns war dafür keine Zeit,“ erzählt eine Schülerin. Genau darin sehen sie das Problem, wenn sie von aktiver Mitgestaltung sprechen. „Nicht nur die Note sollte im Vordergrund stehen, sondern auch, dass wir für uns selbst lernen“, sagt Jan Felix Fischer von der Sophie-Charlotte-Schule. Der 18-jährige Elftklässler wünscht sich ein gemeinsames Engagement mit den Lehrern.

Aber könnte die jetzt geplante Reform mit der Schaffung eines zweigliedrigen Schulsystems nichts verbessern an den Missständen im Bildungsbetrieb? Die Schüler winken ab. Es herrscht Konsens unter ihnen, dass auch das zweigliedrige Schulsystem nicht der richtige Weg sei. „Die Spaltung zwischen Gymnasiasten und den anderen Schülern bleibt doch mit der Reform“, sagt Berkay Akapolat. Der 17-Jährige befürchtet, dass Gymnasiasten weiterhin mehr zählen.

„Die Schulreform ist doch eine reine Einsparungsmaßnahme“, glaubt Lee Hielscher von der LSK. Die Hauptschule werde zwar abgeschafft, aber die Probleme seien damit noch lange nicht gelöst. Auch Julia Perkuhn, 19 und frisch gebackene Max-Planck-Abiturientin, meint: Eine Gemeinschaftsschule muss her. Mehr Lehrer, kleinere Klassen, mehr Mitsprache. Ihre Mitspracherechte im Landesschulbeirat und Landesschülerausschuss reichen ihnen nicht.

„Uns wird einfach nicht zugehört“, beklagt sich die 14-jährige Marlen Schell-Condamine von der Schöneberger Sophie-Scholl-Gesamtschule. Ihre Hoffnung: durch den Streik die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Damit das klappt, hat sich eine Gruppe in der Aula gebildet, um die Organisation der Demo zu besprechen. „Wir brauchen Mikros“, sagt eine Schülerin. „Sonst hört ja keiner hin“.

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