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Britische Internate: Lernen auf dem grünen Hügel

Es muss nicht immer Highschool sein: Internate im Vereinigten Königreich sind bei Deutschen beliebt Der Ruf der über 1000 Jahre alten Institution lockt Schüler auch heute noch an.

Dass Kate Middleton, die mutmaßlich nächste Königin von England, ein schwer erziehbares Kind gewesen wäre, ist eigentlich nicht bekannt. Auch Harry Potter, Prince Charles und all die anderen englischen Berühmtheiten waren nicht gerade für ihre Tendenz zum Schwänzen oder Dealen bekannt, als ihre Verwandtschaft für sie einen Platz auf einer guten Schule suchte. Und doch landeten sie alle auf Internaten.

Womit man schon bei einem fulminant großen Unterschied zwischen der deutschen und britischen Schultradition wäre: „In Großbritannien gilt der Besuch eines Internats als Auszeichnung, in Deutschland fragt erstmal jeder, ob die Eltern nicht mehr mit der Erziehung zurechtkommen“, bringt es eine Internatsberaterin auf den Punkt. Und doch gibt es inzwischen pro Jahr rund 2350 deutsche und darunter auch etliche Berliner Eltern, die sich auf den Weg über den Ärmelkanal machen, ohne dass ihr Kind besondere Probleme hätte. Was sie antreibt, ist etwas ganz Anderes: Der Ruf einer fast 1400 jährigen Institution mit dem ganzen Gewicht ihrer langen Geschichte.

Um das Phänomen zu verstehen, muss man ziemlich weit zurückgehen – zu den großen alten Kathedralen von Canterbury oder Wales, die ihre Chorsänger ausbilden wollten – vor dem Stimmbruch, versteht sich. Um sie fern von ihren Familien fördern zu können, brauchten die minderjährigen Knaben eine Rundumbetreuung mit erstklassigen Lehrern. Hier liegen die Wurzeln einer Tradition, neben der selbst Berlins älteste Schule, das ehrwürdige Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster, mit seinen 438 Jahren ziemlich blass aussieht.

Dass der Normalbürger in Deutschland kaum eine Handvoll Internate mit Namen kennt, in Großbritannien aber gleich ein paar Dutzend, hat aber noch einen anderen Grund: die Rolle des Königreichs als Weltmacht. Wenn die Eltern in den britischen Kolonien unterwegs waren, wollten sie ihre Kinder nämlich gut aufgehoben wissen, und Geld spielte kein Rolle, zumal die Industrialisierung später weitere Reichtümer ins Land spülte. Die Folge: Rund 1000 Internate wurden gegründet – eines prächtiger, größer und standesbewusster als das andere.

Längst hat sich die Zahl der edlen Bildungseinrichtungen reduziert, weil das Geld nicht mehr so locker sitzt. Allerdings hat die große Nachfrage aus dem Ausland mehr Internate am Leben erhalten, als es die rein britische Nachfrage ermöglicht hätte. Aus dem letzten Jahresbericht des Independent Schools Council geht hervor, dass von knapp 70 000 Internatsschülern über ein Drittel aus dem Ausland kommt. Nach China folgt an zweiter Stelle Deutschland.

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Zwar liegen die USA, Neuseeland, Kanada und Australien nach wie vor weit vorn, was die Akzeptanz bei den jährlich rund 20 000 reiselustigen deutschen Schülern anbelangt, unter denen Berliner überproportional vertreten sind. Manchen Eltern ist die Entfernung nach Dallas, Auckland City, Toronto oder Sidney für ihre erst 14- bis 16-jährigen Kinder aber zu weit. Oder sie fürchten die immer wieder bekannt werdenden Probleme mit Gastfamilien. In diesen Fällen besinnen sich die Familien auf die britischen Inseln mit ihren Internaten. Denn ihnen eilt der Ruf voraus, dass sie eine enge Betreuung, gute akademische Standards und phantastische Sportmöglichkeiten bieten. Zudem behagt den Eltern, dass Rauchen, schrille Kleidung, Piercings und starkes Schminken verboten sind.

Allerdings ist der Weg über den Ärmelkanal teurer als der über die Ozeane: Während sich das Austauschjahr in den USA für rund 10 000 Euro stemmen lässt, und Neuseeland mit rund 14 000 Euro zu Buche schlägt, kostet das britische Internatsjahr locker das Doppelte: Je nach Einrichtung werden rund 25 000 bis über 30 000 Pfund fällig.

Barbara Glasmacher kennt diese Zahlen und die deutschen Reaktionen darauf. Sie leitet eine große Beratungsagentur für britische Internate und weiß, warum die Eltern ihre Kinder trotzdem hinschicken: „Es ist ein Riesenplus für die Schülerbiografien“. Zudem verweist sie darauf, dass es Stipendien für leistungsstarke Schüler gibt und zudem einige gute staatliche Internate, die zum Internationalen Abitur (IB) führen und weniger als die privaten kosten, weil der Staat für EU-Bürger die Schulgebühren trägt.

Wenn die vergleichsweise wohlhabenderen Deutschen fragen, wie die ärmeren Nachbarn sich die Hochpreise wohl leisten können, bekommen sie die Antwort, dass die Briten sehr frühzeitig anfangen, für die Schulbildung zu sparen. „Es ist dort durchaus üblich, dass Eltern, Großeltern und Paten spezielle Konten anlegen, um das Geld für ein gutes Internat aufbringen zu können“, erzählen erfahrene Internatsberater. Dann wird schon mal auf ein neues Auto verzichtet. Oder sie stellen einen sehr erfolgreichen Partyservice auf die Beine, wie einst Familie Middleton. Übrigens kostet Kate’s Marlborough College im Südwesten Englands (www.marlboroughcollege.org) auch „nur“ 31 000 Pfund pro Jahr.

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