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Schule: Carrera GT – der straßentaugliche Renner

Beschleunigungsübungen und Slalom auf Europas größten Flugplatz – und dann bei Walter Röhrl auf dem Beifahrersitz

Schon der Anblick dieses Autos lässt das Herz schneller schlagen. Denn er ist ein Prachtstück, der Porsche Carrera GT, wie er 1,92 Meter breit mit langem Radstand von 2,73 Meter wie zum Sprung geduckt und gerade einmal 1,17 Meter hoch auf seinen vorn 19 und hinten sogar 20 Zoll großen Rädern dasteht. Ein Meisterwerk der Designer, die ihn mit seinem unter gelochten Abdeckblechen hinter den Sitzen platzierten Mittelmotor so überzeugend in Form gegossen haben. Ein Meisterwerk aber auch der Ingenieure, die dem 5,7-Liter-Zehnzylinder-V-Motor aus Leichtmetall eine Leistung von 450 kW (612 PS) und ein höchstes Drehmoment von 590 Nm bei 5750/min entlocken.

Zugegeben – die Autowelt wäre sicher auch in Ordnung, wenn es dieses Auto nicht gäbe. Denn seine nur 3,9 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100, gerade einmal 9,9 Sekunden um Tempo 200 zu erreichen und maximal 330 km/h sind Werte eines Rennwagens, die man im normalen Alltag nicht braucht. Aber die Welt wäre um eine jener technischen Meisterleistungen ärmer, mit denen Ingenieure immer wieder in jene Grenzbereiche vorstoßen, die letzlich auch den Fortschritt beflügeln, der dann unseren ganz normalen Autos zugute kommt. Und wenn viele den Carrera GT auch als „unvernünftiges" Auto sehen mögen – es ist gut, wichtig und legitim, dass es solche Autos gibt.

Autos, die das Herz noch schneller schlagen lassen, wenn man die seltene Gelegenheit hat, in ihnen mitzufahren oder gar selbst das Steuer in die Hand zu nehmen. Und wenn dann gar ein solcher Meister seines Fachs, wie der schon legendäre Rallye-Pilot Walter Röhrl einem zeigt, was alles in diesem Auto steckt, wird das zu einem unvergesslichen Erlebnis. Denn Röhrl hat mit seiner Erfahrung und seinem genialen fahrerischen Talent auf Zehntausenden von Testkilometern einen ganz entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass der Carrera GT trotz seiner gewaltigen Kräfte zu einem für jedermann sicher zu beherrschenden Fahrzeug wurde – vorausgesetzt, er bringt den nötigen Respekt vor dessen geballter Kraft mit.

Zu einem Fahrzeug, mit dem man sich nicht nur auf Rundstrecken-Rennkursen und Teststrecken bewegen darf, sondern mit gutem Gefühl auch im ganz normalen Alltagsverkehr. Gewiss, man muss sich bei diesem stärksten Straßenauto von Porsche erst einmal daran gewöhnen, dass es zum Anfahren reicht, die Kupplung im Leerlauf des Motors nur gefühlvoll kommen zu lassen, damit der Wagen in Fahrt kommt. Aufs Gas treten, und das nur wohl dosiert, sollte man erst dann, wenn er rollt. Und auch an die griffgerecht in der Mittelkonsole platzierte leichtgängige und exakte Sechsgang-Schaltung mit ihren extrem kurzen Schaltwegen muss man sich erst einmal gewöhnen.

Aber sobald man den richtigen Umgang mit Kupplung, Gas und Bremse, die übrigens nicht weniger leistungsfähig ist als das Triebwerk des Carrera GT, im Griff hat, kann man genießen, wie sicher dieses Auto bei flotter Fahrt selbst engste Kurven umrundet und wie überraschend komfortabel es sich auf vergleichsweise niedrigem Drehzahlniveau im normalen Straßenverkehr bewegt. Das gilt nicht allein für den Fahrkomfort, sondern auch für den Sitzkomfort auf den den Körper fest umschließenden Schalensitzen sowie den Ausstattungskomfort. Je mehr man allerdings auf Landstraßen und Autobahnen spürt, welche Kraft in dem in hohen Tönen wie bei Formel-1-Wagen singenden Triebwerk hinter den Sitzen steckt, desto mehr wächst der Wunsch, das Potenzial dieses Autos wirklich einmal auszuschöpfen.

Es gibt nur ganz wenige Gelände, auf denen man das kann. Eines davon liegt nördlich von Berlin, in der Schorfheide. Es ist der ehemalige russische Militärflugplatz bei Groß-Dölln, der mit seinen schier endlos langen und extrem breiten Start- und Landebahnen eine der größten zusammenhängenden Betonflächen der Welt darstellt. Hier gibt es genügend Raum, den Carrera GT beim Beschleunigen und Bremsen zeigen zu lassen, was in ihm steckt. Mit dem Motorenentwickler auf dem Beifahrersitz traten wir auf einer rund drei Kilometer langen Geraden aufs Gas, so dass der Carrera beschleunigte wie ein Flugzeug beim Start. Und fast spielerisch kam das Auto in Fahrt und die Tachonadel passierte die 100 km/h-Marke, die 200 km/h-Marke und schließlich auch die 300 km/h-Marke, pendelte irgendwo zwischen 310 und 320 km/h, als wir das Auto mit sanftem Bremsen wieder in den Bereich normaler Geschwindigkeiten brachten.

Überraschend selbst bei höchsten Tempo war, wie sicher dieses Auto seiner Spur folgte, ohne leiseste Abweichung stur geradeaus lief – ein Kompliment vor allem auch für die Aerodynamiker, die es geschafft haben, diesen Wagen mit seinem bei Tempo 120 ausfahrenden Heckflügel und dem speziell gestalteten Unterboden bei Höchstgeschwindigkeit bis zu 400 Kilo Abtriebslast zu geben, so dass er geradezu auf der Straße zu kleben scheint. Das nächste Kompliment gilt den Fahrwerkstechnikern. Denn auf dem Slalomkurs bewies der Carrera GT anschließend, dass man mit ihm nicht nur schnell geradeaus fahren kann, sondern ihn auch bei schnellen Richtungswechseln bei hohem Tempo sicher beherrschen kann.

Wie sicher im Extremfall, das demonstrierte auf einem flotten Handlingkurs dann Walter Röhrl. Atemberaubend bereits die Fahrt mit allen aktivierten elektronischen Traktionshilfen – ein wahres Schlüsselerlebnis allerdings die zweite Runde ohne diese elektronischen Helfer. Wir haben schon bei vielen Profis auf dem Beifahrersitz gesessen. Doch die Souveränität und vor allem auch Eleganz, mit der Röhrl dieses Auto mit Höchsttempo Kurven umrunden lässt, millimetergenau einlenkt, ohne die Spur einer Unsicherheit driftet, das Auto bis in die letzte Faser sicher in der Hand hat, kann einem nur Bewunderung und Respekt entlocken.

Respekt vor dem fahrerischen Können – Respekt aber auch vor der Technik, die in diesem Auto steckt. Sie ist konsequent auf den Rundstreckeneinsatz optimiert. Der Motor ist ein reinrassiges Renntriebwerk mit besonders tief angeordneter Kurbelwelle, der gerade einmal 214 Kilo auf die Waage bringt und mit einem eigens entwickelten Sechsgang-Getriebe kombiniert ist, bei dem erstmals in der Welt statt Stahlseilen sogenannte Flexball-Züge aus flachem Edelstahlband eingesetzt werden. Als weltweit erstes Auto hat der Carrera GT auch eine extrem kompakte Keramik-Kupplung mit niedriger Masse, bei deren Entwicklung man sich die Erfahrungen mit den von Porsche eingesetzten Keramik-Bremsen zunutze gemacht hat, die auch bei diesem Auto optimales Verzögern erlauben. Beim Fahrwerk setzt man auf das bereits in Le Mans bewährte Konzept des Porsche 911 GT1 – allerdings in Verbindung mit Feder- und Dämpferelementen, die durch Pushrods (Druckstangen) und Umlenkhebel betätigt werden.

Ganz neu für ein Serienfahrzeug sind das Monocoque-Chassis sowie der Aggregateträger aus Kohlefaser verstärktem Kunststsoff, was bei extremem Leichtbau ein Optimum an Fahrdynamik und Sicherheit erlaubt. Gerade einmal 10,3 Kilo wiegen die Sitze aus einem Verbund von Kohle- und Aramidfasern. Ebenfalls sehr leicht sind die geschmiedeten Magnesium-Räder. Mit 1380 Kilo ist der Carrera GT in seiner Klasse geradezu ein Leichtgewicht. Eines, das technisch durchaus als Schwergewicht gelten darf und in vielen Details von der Motorsteuerung über die eingesetzten Werkstoffe bis hin zum Design, vor allem auch des Interieurs, viele Elemente zeigt, die bei künftigen Porsche-Modellen wieder zu finden sein werden.

Mit 1500 Exemplaren, die im neuen Porsche Werk in Leipzig gebaut werden, ist die Serie des Carrera GT streng limitiert. Für 1200 sollen bereits Bestellungen mit ersten Anzahlungen für dieses Ausnahmeauto vorliegen, für das man in Deutschland einschließlich Mehrwertsteuer 452 690 Euro zahlen muss. Ein zwar hoher, aber nach Porsche-Angaben auch ehrlicher Preis. Denn in der Unternehmensphilosophie des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking gibt es zwei ganz strenge Grundsätze. Der erste sagt, dass ein gesundes Industrieunternehmen, und zu denen gehört Porsche, keine staatlichen Subventionen und damit letztlich Mittel aus dem Steueraufkommen der Bürger braucht und annehmen sollte, selbst wenn sie angeboten werden. Entsprechend konsequent tätigte man alle Investitionen für das neue Werk in Leipzig aus eigener Kraft. Und ein zweiter sagt, dass mit jedem einzelnen Modell Geld verdient werden muss. Aber nicht etwa auf dem Weg über eine Mischkalkulation, bei der die Käufer der normalen Modelle etwas mehr zahlen, so dass sich Sondermodelle wie der Carrera GT rechnen. Deshalb hat er einen entsprechend hohen Preis – verbunden allerdings auch mit einem diesem vollauf gerecht werdenden Gegenwert.

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