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Schule: Der Octavia kam durch, der A3 nicht

Eine klare Linie fehlt: Welches Auto dürfen Hartz IV-Empfänger fahren?

Dass Arbeitslose Auto fahren, stellt grundsätzlich niemand in Frage. Trotzdem werden deshalb zunehmend die Sozialgerichte bemüht: Sie müssen im Streitfall entscheiden, welches Fahrzeug Arbeitslose noch fahren dürfen, wenn sie eine Förderung durch das neue Arbeitslosengeld (ALG) II erhalten wollen.

Seit die alte Bundesregierung zum 1. Januar 2005 Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt hat, erhalten erwerbsfähige Arbeitslose das ALG II als Grundsicherung. Voraussetzung ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg, dass sie „hilfebedürftig“ sind. Beabsichtigt sei die Sicherung des Existenzminimums. „Natürlich kann es nicht sein, dass man Leistungen bezieht, obwohl man vermögend ist. Darum vermindert verwertbares Vermögen, das einen höheren Wert hat als bestimmte Freibeträge, die zustehende Leistung“, heißt es.

Doch nicht jeder Vermögensgegenstand wird bei der Antragstellung mindernd berücksichtigt. Laut der BA ist neben einem Grundfreibetrag von 200 Euro für jedes vollendete Lebensjahr – bis zur Höchstgrenze von 13 000 Euro – für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unter anderem ein „angemessenes Kraftfahrzeug“ ausgenommen.

Damit fangen für ALG II-Antragsteller, die ein Auto besitzen, die Probleme mitunter erst an. „Im Gesetz ist nur die Rede von einem angemessenen Fahrzeug. Das wird aber nicht näher definiert“, sagt Frank Jäger von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI) in Frankfurt. Auch Thomas Hentschel, Rechtsanwalt für Sozialrecht in Bonn, sieht darin ein Problem: „’Angemessen’ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die Rechtsprechung ausgefüllt werden müsste.“ Zumindest in den unteren Instanzen ist das bereits geschehen. So entschied beispielsweise das Sozialgericht Aurich, einen rund zwei Jahre alten Skoda Octavia (75 kW/102 PS, Restwert: 9900 Euro) nicht als Vermögen eines ALG II-Antragstellers zu berücksichtigen. „Das Kraftfahrzeug wird nicht als Vermögensgegenstand, sondern als Verkehrsmittel geschützt“, stellte das Gericht klar.

Angemessen sei ein Auto, das ein zuverlässiger, möglichst wenig reparaturanfälliger Gebrauchsgegenstand ist, „der weder übertriebenen Luxus, noch eine deutlich über dem Durchschnitt liegende Motorisierung aufweist.“ Daher sei ein Mittelklassefahrzeug mit mittlerer Motorisierung als angemessen anzusehen, befand das Gericht (Az: S15AS 11/05 ER). Nicht sinnvoll sei es, Antragsteller zu veranlassen, ein zuverlässiges gegen ein geringwertiges, im Zweifel reparaturanfälligeres einzutauschen.

Auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg in Ulm verneinte, den rund 9800 Euro teuren Gebrauchtwagen einer Antragstellerin als Vermögen anzurechnen (Az: L7AS2875/05 ER-B). Im ländlichen Raum seien Arbeitsuchende auf ein Auto angewiesen, hieß es. „Dies sollte keines mit ’äußerst geringem Wert’ sein, weil solche in der Regel ältere und damit eher reparaturanfällige Modelle sein werden.“ Mit einem Wert von unter 10 000 Euro erschien das Fahrzeug dem Gericht „nicht unangemessen“.

Strenger waren das Bayerische Landessozialgericht und das Sozialgericht Aachen. Die Münchener bewerteten ein zwei Jahre altes Peugeot 206 Cabrio (Restwert: 12 550 Euro) als nicht mehr angemessen und somit als anzurechnendes Vermögen (Az: L10B180/05AS ER).

Das Gericht in Aachen urteilte, der Antragsteller müsse von seinem zwei Jahre alten Audi A3 (77 kW/105 PS, Restwert: 14 500 Euro) auf ein billigeres Auto wechseln, um ALG II zu beziehen (Az: S9AS 31/05): Im Segment bis 7000 Euro befänden sich Autos, „die dem des Klägers in Punkto Gebrauchstüchtigkeit und Zuverlässigkeit, Alter und Kilometerleistung nicht wesentlich nachstehen, so dass im Hinblick auf die Einschränkung der Lebensumstände durch den Leistungsbezug ein Umstieg zumutbar ist.“ Die Rechtsprechung sei „sehr uneinheitlich“, klagt Sozialrechtler Thomas Hentschel. Auch BAG-SHI-Sprecher Frank Jäger bedauert, dass eine zu breite Spanne als Grenze für ein angemessenes Fahrzeug angenommen wird.

Felix Rehwald, gms

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