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Schule: Die Stasi – was war das doch gleich?

Ein Unterrichtsfilm klärt über die Methoden des DDR-Geheimdienstes auf Eine Aktion der Birthlerbehörde: Sie bietet den Schulen Kooperation an

Manchmal hat die Aufklärungs-Doku etwas Komödiantisches. Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk zeigt einen Büstenhalter mit versteckter Kamera zwischen den Körbchen. James-Bond-taugliche Accessoires gab es eben auch bei der Stasi, konzipiert für das Einsatzgebiet Ostseestrand. Der Stasi-BH ist eine Originalrequisite in einem neuen Unterrichtsfilm der Birthler-Behörde, Titel: „Ein Volk unter Verdacht“. Gezeigt wird, wie bedrohlich ernst die Staatsicherheit ihre Aufgabe, ein ganzes Staatsvolk zu bespitzeln, nahm, und wie unwirklich und aberwitzig dieser Eifer 20 Jahre später anmutet. Zum Gedenken an die Besetzung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Lichtenberg wurde der Film nun erstmals gezeigt.

Der wesentliche Grund, diesen Streifen zu machen, wird mit einer Umfrage unter Jugendlichen am Alexanderplatz gleich mitgeliefert. Stasi, was war das gleich noch mal? „Irgendwas mit Mathe?“ „Hitlers Geheimpolizei?“ „Soweit ich weiß, war die Stasi für Hitler.“ Kurioses Mangelwissen über eine Institution, die trotz ihres Ablebens die politischen Machtverhältnisse in Deutschland immer noch erschüttern kann, was die aktuelle Regierungskrise in Brandenburg belegt.

Die Gewährsleute des Filmes sind fünf Zeitzeugen, darunter Christian Halbrock, der in den achtziger Jahren ins Visier der Stasi geriet und nur knapp einer längeren Haft entging. Halbrock arbeitet heute als Wissenschaftler für die Stasi-Unterlagenbehörde und geht gelegentlich in Schulen, um über seine Erfahrungen zu sprechen. Ihm ist es wichtig, nicht in der entrückten Pose des heldenhaften Widerständlers vor eine Klasse zu treten. „Ich sage einfach, ich habe auch nichts anderes gemacht als heutige Schüler, die sich engagieren.“ Nur der Staat reagierte damals eben völlig anders als heute.

Halbrock beteiligte sich als Jugendlicher an Umweltaktionen. Im schützenden Raum einer Kirchengemeinde pflanzten die Aktivisten Bäume oder organisierten Fahrraddemos. Solche nach heutigen Maßstäben harmlosen Protestformen ließen die Stasi-Apparatschiks rotieren. Es kam zu absurden Anschuldigungen und längeren Verhören, in denen Halbrock versuchte, seinen Humor zu bewahren und möglichst wenig von sich preiszugeben. „Wir hatten uns vorab für solche Situationen geschult.“ Seine Sicht auf die Stasi hebt sich ab von den Erfahrungen anderer Zeitzeugen, die von perfiden Verhörmethoden und Haftbedingungen berichten. Die Stasi war eben kein homogenes Gebilde und agierte in den fünfziger Jahren wesentlich plumper und brutaler als in den Siebzigern.

Halbrock möchte mit seiner Biografie nicht abschrecken, sondern Schüler ermutigen, selber das „Diktat der Normalität“ zu durchbrechen, anstatt in einem Netz schmerzender Kompromisse abzustumpfen. Der SED-Staat war allerdings als Gegner deutlicher erkennbar als die heutige pluralistische Gesellschaft, deshalb versteht Halbrock auch Jugendliche, die ihm sagen, heute sei es viel schwieriger zu opponieren als zu seiner Zeit.

Die Bildungsarbeit an Schulen wird seit dem Amtsantritt von Marianne Birthler vorangetrieben. Es gibt eine eigene Abteilung in der Behörde, die Materialien für den Unterricht erarbeitet hat (siehe Kasten) und die für Projekttage, Zeitzeugengespräche und Lehrerseminare zur Verfügung steht. Axel Janowitz, Bildungsreferent der Behörde, spricht von einem „zunehmenden Interesse“, aber auch von Schulen, die sich einer Kooperation mit der Stasi-Unterlagenbehörde verschließen. In Ost und West gebe es Lehrer, die ungern an ihrem DDR-Bild rütteln ließen. Die Staatssicherheit werde zwar als Unrechtsorgan akzeptiert, aber von der übrigen DDR-Wirklichkeit abgekoppelt. „Positionen wie Gerechtigkeit und Solidarität werden auf die Linkspartei bezogen, und die DDR dient dafür als Projektionsfläche.“ In den neunziger Jahren nannte man das Phänomen Ostalgie, inzwischen ist offenbar die nächste Generation infiziert.

Allerdings haftet der Birthler-Behörde immer noch der Makel an, in der Diskussion um das Erbe des SED-Staates nur aus der Perspektive der Opfer zu argumentieren. Janowitz bestreitet das nicht. Es sei nun mal der politische Auftrag der Behörde. Auch der Film „Ein Volk unter Verdacht“ behält diese Perspektive bei. Einen Stasi-Offizier zu seiner Sicht zu befragen, wurde nicht erwogen. Janowitz wüsste auch niemanden, der dazu bereit sein könnte und die nötige kritische Distanz zu seiner früheren Tätigkeit entwickelt hätte. Zwischen Opfern und Tätern von Stasi und SED-Diktatur – da braucht man nur mal mit Wolf Biermann zu reden – gibt es bis heute tiefe Gräben.

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