zum Hauptinhalt
Schulleiter. Lutz Seele und seine Stellvertreterin Dana Wolfram.

© Ariane Bemmer

Digitale Medien im Unterricht: Apple für alle - Lernen in der Macbook-Schule

Generation Smartboard: Am Otto-Nagel-Gymnasium in Biesdorf lernt jeder Schüler mit eigenem Luxus-Computer. Und inzwischen sehen alle nur noch Vorteile.

Hastiges Zucken der Finger, Tasten drücken, los, schneller!, dann blinkt „High score“ auf dem Bildschirm und „you can do it“, du kannst es. Jep! Der Junge macht die Beckerfaust, schaut hoch, hat’s jemand bemerkt? Aber die anderen sind genauso vertieft ins Punktesammeln per Klick, starren auf eigene Bildschirme, eigene Scores und „Youcandoits“.

Was aussieht wie die Generation Daddel beim Verblöden ist das ganze Gegenteil: Es ist die Generation Smarte Schule beim Lernen. Und engagiert ist noch untertrieben. Die Schüler, Siebtklässler am Otto-Nagel-Gymnasium in Biesdorf, rutschen schon erwartungsfroh auf ihren Stühlen herum, als ihre Lehrerin endlich die Order für die letzten 20 Minuten der Stunde ausgibt: „Nun klappt mal alle eure Macs auf.“

Flugs werden 31 silberne Laptops aus Schulranzen gezogen, mit paar Tastenkombinationen loggen sich die Schüler ins Vokabelprogramm Spanisch ein. Die Lehrerin erklärt die Aufgaben via Smartboard, einer Art digitaler Tafel, die mit ihrem Computer verbunden ist, und dann tippen die Kinder jeder auf dem eigenen Macbook Übersetzungen von Wetterbeschreibungen, ziehen Wetterfotos auf passende Wörter, vollenden Sätze, sammeln Punkte und können dabei in einer Bildschirmecke sehen, wie weit und wie gut die anderen sind. Das stachelt an.

Ausgerechnet MacBooks? Sind die nicht viel zu teuer, zu elitär?

„MacBook-Unterricht“, „Kreidefreie Schule“, „Begabtenförderung“ sind drei der Argumente, mit denen das Otto-Nagel-Gymnasium für sich wirbt. Punkt eins war bei der Einführung 2009/10 noch ein Aufreger – die Geräte von Apple seien zu teuer, zu elitär –, aber das ist fünf Jahre später vorbei.

Die dynamische Hightech-Schule, deren Adresse wie zum Scherz verschnarcht Schulstraße lautet, wird seit ihrer Gründung 1991 von Lutz Seele geleitet. Der haust derzeit wegen einer Baumaßnahme mit seiner Stellvertreterin Dana Wolfram im Souterrain des Haupthauses, das früher mal das „Computerkabinett“ der Schule beherbergte, wo die Schüler an knarzenden Rechnern Informatik lernten. Heute sieht der Raum aus wie ein Architektenbüro, was an zwei sehr großen Apple-Bildschirmen, schnurlosen Tastaturen, hohen Tischen und vielen aufgeklappten Laptops liegt.

Die Idee: Alle sollten sich mit allen vernetzen können

Seele erinnert sich an Zeiten, als die Schüler zu Hause Präsentationen für den Unterricht erstellt hätten, die dann im Klassenraum auf die dort verfügbare Software heruntergerechnet werden mussten, so dass die schöne Präsentation dahin war. „Da kam die Idee: Jeder soll seinen eigenen Rechner haben.“ Mit kompatibler, ständig zu aktualisierender Software, so dass alle mit allen arbeiten können. Denn, auch das wissen sie am Otto-Nagel-Gymnasium: Computer, die nicht funktionieren, sind ein Alptraum, Seele sagt „Zeitfressermaschinen“.

Warum Kulturspessimisten diese Schule nicht fürchten müssen

Schulleiter. Lutz Seele und seine Stellvertreterin Dana Wolfram.
Schulleiter. Lutz Seele und seine Stellvertreterin Dana Wolfram.

© Ariane Bemmer

So kamen sie damals zu Apple, weil die Computer als wenig wartungsintensiv und einfach im Handling galten. Den mit rund 900 Euro vergleichsweise hohen Anschaffungswert nahmen sie in Kauf, im Bedarfsfall werden Eltern bei der Anschaffung durch den schulischen Förderverein unterstützt. Laut Seele ist die Rechnung aufgegangen. Wie sich auch alle mit der Computerisierung der Schule verbundenen Ängste – zu viel Ablenkung, heimliches Surfen im Internet – zerstreut hätten. Sie haben Vorsorge getroffen: drei Macbooktage pro Woche und an denen begrenzte Einsatzzeiten, sonst wird mit Papier und Stift gearbeitet. So wie es später in der Abiturprüfung auch sein wird.

Die Schüler lernen nicht mehr und nicht weniger - aber lieber

Seele erzählt von einer Umfrage unter den Schülern, ob sie mit dem Computer mehr oder weniger lernen würden. Antwort: „Weder mehr noch weniger, es macht einfach nur mehr Spaß.“ Was wäre motivierender?

In der Spanischklasse geht die Lehrerin zwischen den Reihen herum, schaut über Schülerschultern auf Bildschirme, ob alle klarkommen. Kurz vor Stundenschluss fragt sie noch mal ab: Wie ist das Wetter in Málaga, was heißt Gewitter? Schüler melden sich, und wer sich übersehen fühlt, schnipst mit den Fingern, ganz wie im 20. Jahrhundert. Dann klingelt es zur Pause. Die Kinder schließen ihre Laptops in den Macbookschrank und rennen Richtung Hof.

He, Kinder, seid ihr die Generation, die das Buch auf den Müllhaufen vergessener Kulturtechniken wirft? Nein!, rufen die Schüler, sie würden gerne lesen, richtige Bücher, „Gregs Tagebuch“, „Percy Jackson“ und das alles. Aber in der Schule mache der Computer mehr Sinn, es gebe viele „coole Lernpakete“, besonders fürs Vokabeln lernen, findet auch die Lehrerin.

Warum sollten sich Schulen der globalen Digitalisierung verweigern?

Die unaufgeregte Art, in der die Schule sich an einer Entwicklung beteiligt, die ohnehin unaufhaltsam ist – Computer bestimmen den Alltag –, lässt das Beharren auf althergebrachten Lernformen fast rückständig wirken. Schule soll schließlich für die Zukunft rüsten. Und sie kann nicht so tun, als sei die Digitalisierung der Welt nur etwas für die Freizeit, wenn davon in Wirklichkeit alle Lebensbereiche durchdrungen werden.

Eine Stunde später in Klasse 8, Physik: der Auftrieb. Lehrer Kevin Hönicke zeigt auf dem Smartboard ein Youtube-Video, in dem ein Versuch zur Erklärung von Auftrieb vorgeführt wird. „Ist auf Englisch, aber trotzdem“, sagt Hönicke. Ein Klotz wird in ein Becken mit Flüssigkeit getan, die Flüssigkeit läuft über, und zwar genauso viel, wie der Klotz wiegt. „So, jetzt möchte ich von euch …“, sagt der Lehrer, da holen die Schüler schon die Laptops aus den Taschen und loggen sich bei Lernraum-berlin.de ein. Auf den Bildschirmen ploppt die schematische Darstellung des Versuchs auf. Die Schüler sollen unterschiedliche Flüssigkeitsdichten eingeben, Versuchsprotokolle schreiben und die Auswirkung auf das Überlaufverhalten erklären.

In Physik ermöglicht der Computer komplexe Versuchsanordnungen

Solche Versuche würde man im normalen Unterricht nie machen, sagt Hönicke am Rande. „Viel zu aufwendig.“ Da könnten Simulationen hervorragende Ersatzdienste leisten. Für ihn ist computergestützter Unterricht viel mehr als nur digitalisierte Lehrbücher. Jedoch versehen mit einem Makel: Am Computer sind die Versuche idealisiert. „Die klappen immer“, sagt Hönicke. Das habe nichts mit einer Realität zu tun, in der zum Wesen des Versuchs auch das Scheitern gehört.

Hönicke ist Referendar, also gerade erst fertig mit dem Lehrerstudium, in dem computergestützter Unterricht überhaupt nicht vorgekommen sei. Das hat auch die Spanischkollegin gesagt, ebenfalls noch frisch im Beruf. Diesen Freiraum hat die Schule für sich zu nutzen verstanden, in dem sie für alle Fragen Foren entwickelt hat.

Alle lernen voneinander, das hat das Schulklima verbessert

Es gibt Techniksprechstunden, Arbeitsgruppen, in denen Apps für Klausurenpläne entwickelt werden, Gruppen, in denen Schüler, Lehrer und Eltern zusammenkommen. Da wird voneinander und miteinander gelernt, was sich auf das ganze Klima an der Schule positiv auswirke.

Aber zwei Dinge hätten sich durch die Computerisierung der Schule nicht geändert, sagt Dana Wolfram, die stellvertretende Schulleiterin, und die würden sich auch nie ändern, egal, welche Technik eingesetzt wird. Erstens: Schüler lernen personenbezogen, ihren Eltern oder ihren Lehrern zuliebe. Und zweitens: Ob der Unterricht gut ist oder nicht, hängt vom Lehrer ab.

- Am 16. Januar 2016 lädt die Schule von 9-12 Uhr zum Tag der Offenen Tür ein

Zur Startseite