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In Berlin werden Kinder früher eingeschult. Bald nicht mehr?

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Druck auf Senat wächst: Schwarz-Grünes Bündnis für spätere Einschulung

Die FU-Studie, die Berliner Grundschülern Leistungsrückstände nachwies, hat Kritk am Berliner Sonderweg angefacht. Die Grünen wollen das Thema Früheinschulung jetzt ins Parlament bringen.

In Sachen „Früheinschulung“ wächst der Druck auf den Senat. Landeselternsprecher Günter Peiritsch forderte am Freitag ebenso wie CDU und Grüne, den Kindern wieder mehr Zeit zu geben, um schulreif zu werden. Der Berliner Sonderweg, Kinder schon mit fünfeinhalb Jahren einzuschulen, sei falsch. Die negativen Erfahrungen mit der Grundschulreform führen inzwischen dazu, dass die Furcht vor einer übereilten Einführung der Inklusion und der damit einhergehenden Abschaffung der Förderzentren für Kinder mit Behinderungen um sich greift.

Die Debatte um Sinn und Zweck des Berliner Reformmarathons ist neu aufgekeimt, nachdem FU-Erziehungswissenschaftler Hans Merkens auf sinkende Leistungen an Berliner Grundschulen hingewiesen hatte. Wie berichtet, führt er die negative Entwicklung auf mangelnde Fortbildung der Lehrer zurück. Sie seien nicht ausreichend auf die Früheinschulung und die Jahrgangsmischung vorbereitet worden. „Wer Reformen nur organisatorisch umsetzt und sie nicht mit Fortbildungen flankiert, wird scheitern“, mahnt Merkens. CDU-Bildungsfachmann Stefan Schlede schließt aus den vorliegenden Erfahrungen und Studien, dass das Einschulungsalter wieder heraufgesetzt werden sollte. „Wer sein Kind früher einschulen möchte, kann ja – so wie vor der Reform schon üblich – einen Antrag stellen“, schlägt Schlede vor.

Diesen Weg hält auch Landeselternsprecher Peiritsch für richtig. Özcan Mutlu, Schulexperte der Grünen, will das Thema jetzt ins Parlament bringen. Außerdem fordert er von der Bildungsverwaltung Auskunft darüber, wie sich die Früheinschulung auf die Schulkarriere der Kinder ausgewirkt hat. Dazu will Mutlu wissen, wie die mit fünf Jahren eingeschulten Kinder bei den Vergleichsarbeiten abschneiden und wie viele von ihnen das Gymnasien erreichen.

Über große Nachfrage freuen sich unterdessen die zwölf Berliner Waldorfschulen: Sie lehnen die Früheinschulung ab und bieten deshalb für die Kinder, die sich als nicht schulreif herausstellen, eine spezielle Eingangsstufe. Hier werden sowohl Erzieher als auch Lehrer eingesetzt, um die Kinder auf die erste Klasse vorzubereiten. Auch einige andere freie Schulen bieten diese Möglichkeit. Hingegen wurden die öffentlichen Schulen gezwungen, ihre vergleichbaren Vorklassen abzuschaffen und deren Aufgaben völlig an die Kitas abzugeben.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Probleme mit der Grundschulreform plädieren Schlede und Mutlu dafür, die Inklusion nicht übereilt einzuführen, um die Schulen nicht noch mehr zu belasten. Erst müsse das Lehrpersonal dafür fit gemacht werden, mahnte Mutlu. Andernfalls werde auch die Inklusion zum „Etikettenschwindel“. Schlede warnte davor, die Förderzentren abzuschaffen. Mit einer „totalen Inklusion“ seien die Grundschulen überfordert. FU-Grundschulpädagoge Jörg Ramseger begrüßte ausdrücklich die Entscheidung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die Inklusion nicht schon in diesem Sommer einzuführen. Der bundesweit renommierte Erziehungswissenschaftler Klaus Klemm, der auch im Berliner Inklusionsbeirat sitzt, wies darauf hin, dass Lehrkräfte in etlichen Bundesländern inzwischen über fehlende Fortbildungsangebote zur Inklusion klagten.

Aber auch unter den Eltern wächst die Angst vor einer übereilten Reform. Gerüchte über schließende Förderzentren machen bereits die Runde und verunsichern die betroffenen Eltern. Sie fragen sich, wie es gelingen soll, das Know-how und die Ausstattung der in Jahrzehnten entwickelten Förderzentren auf die Schnelle auf die Regelschulen zu übertragen. Völlig unklar ist auch noch, woher die Millionenbeträge für den behindertengerechten Ausbau der Schulen kommen sollen. Susanne Vieth-Entus

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