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Schule: Ein kleiner Laster brachte den Erfolg

Seit 75 Jahren baut Volvo Nutzfahrzeuge: Eine modulare Plattform für alle Anforderungen

Eigentlich ging es Assar Gabrielsson und Gustav Larsson um Personenwagen, als sie 1927 das Unternehmen Volvo gründeten. Doch gegen die amerikanische Konkurrenz kamen sie mit ihrem Entwurf nicht an. Anders als geplant kam der Erfolg ein Jahr später mit einem Lkw – einem Dreitonner mit 1,5-Tonnen Nutzlast mit vielen Personenwagen-Komponenten. Und seit nunmehr 75 Jahren baut Volvo, dessen Pkw-Sparte 1999 komplett an Ford verkauft wurde, Lastwagen. Volvos Versuch, mit dem Geld aus dem Verkauf der Pkw-Sparte Schwedens zweiten Lkw-Hersteller Scania zu erwerben, scheiterte am Widerspruch der Europäischen Kommission. Doch nur sechs Wochen nach dem Einspruch übernahm Volvo die Lkw-Sparte von Renault. Seither gehört zu Volvo Global Trucks als weltweit zweitgrößtem Lkw-Hersteller auch das komplette Lkw-Programm von Renault und Mack.

Volvos erster Lastwagen gehörte mit seinen 28 PS nicht gerade zu den stärksten seiner Zunft. Doch er war sehr robust. Und unversehens hatte Volvo eine Marktlücke entdeckt, denn zwischen umgebauten Ford T-Modellen und den schweren Gefährten von Scania-Vabis und Tidaholm hatte in Schweden zu dieser Zeit niemand etwas Vergleichbares zu bieten. So war die erste Serie von 500 Stück schon nach einem halben Jahr ausverkauft. Gestützt auf solche Erfolge baute Volvo sein Angebot in den Dreißigern Schritt für Schritt nach oben aus, stellte 1931 Modelle für sechs bis sieben Tonnen und als Dreiachser später gar für bis zu 9,5 Tonnen vor. 75 PS leistete ein neu entwickelter Sechszylindermotor mit oben liegenden Ventilen. Ein robustes Vierganggetriebe, wahlweise auch mit vorgeschalteter Untersetzung, übertrug die Kraft auf die Hinterachse. Hydraulische Bremsen wirkten auf alle vier Räder.

Und Schlag auf Schlag überraschte Volvo mit weiteren Neuerungen und exportierte rund drei Viertel seiner Lkw – nicht nur in die skandinavischen Nachbarländer, sondern auch in den Nahen Osten, nach Nordafrika und nach Kuba. Baute Volvo anfangs nur Chassis, so kamen bald auch Fahrerhäuser ins Programm und in rascher Folge überarbeitete Volvo das Design der Kühlerhauben. Mit den1937 vorgestellten „Langnasen“ stieß Volvo erstmals in Regionen bis13 Tonnen Gesamtgewicht vor. 1938 erschien die neue leichte Baureihe der „Spitznasen“. Im folgenden Jahr entstanden die ersten „Rundnasen“ in der Gewichtsklasse von 6,4 bis 12,3 Tonnen, die dann bis Mitte der fünfziger Jahre das Feld dominierten.

Schon in den Dreißigern suchte das Penta-Motorenwerk, das von Anfang an für Volvo die Motoren baute, nach einer Lösung zur Verwendung des wirtschaftlichen Dieselöls. Zunächst setzte man auf die Methode des einheimischen Ingenieurs Jonas Hesselman, der das Schweröl wie Benzin entzündete, dabei allerdings einen geringen Wirkungsgrad und eine unvollständige Verbrennung in Kauf nahm. Als man einsah, dass dies nicht der Weisheit letzter Schluss war, begann man mit der Entwicklung echter Diesel. Gerade als der erste Dieselmotor seine Proberunden aufnahm, brach jedoch der Krieg aus und wie andere Hersteller in Europa war auch Volvo gezwungen, auf Holzgas umzustellen. So dauerte es bis 1946, bis Volvo seinen ersten Diesel auf den Markt brachte. Dem folgte acht Jahre später 1954 im Zwölftonner Titan der weltweit erste Turbodiesel, der Maßstäbe für die künftige Lkw-Antriebstechnik setzte.

Neben schweren Lkw der Baureihen Titan und Viking pflegte Volvo allerdings weiter die leichteren Fahrzeugklassen, bei denen man auf kurze Fahrerhäuser setzte. Und die wurden wichtig, als man versuchte, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen, wo gesetzlich extrem kurze Fahrerhäuser favorisiert wurden. Als erster europäischer Hersteller setzte Volvo Anfang der Sechziger konsequent auf kippbare so genannte Tiptop-Frontlenkerkabinen. Um europäische Bedenken gegen die kurzen Kabinen zu zerstreuen, hatte Volvo schärfste Sicherheitsmaßstäbe angelegt. So entstand eines der ersten europäischen Kippfahrerhäuser, das seine amerikanischen Vorbilder in vielen Punkten übertraf. Der Gewinn an Nutzlast und Ladefläche, die freie Sicht durch die große Frontscheibe und der reichlich bemessene Innenraum trugen wesentlich zum Erfolg auf dem europäischen Kontinent bei.

1965 überraschte Volvo unter der Bezeichnung „System 8“ mit einem neue Programm bei dem sämtliche Modelle auf einmal in acht wesentlichen Komponenten – Motor, Getriebe, Hinterachsantrieb, Rahmen, Lenkung, Bremsen, Fahrerhäuser und Radaufhängung – grundlegend erneuert wurden. Und es gelang Volvo endgültig, zu einem Hersteller von europäischem Rang aufzusteigen, der viele Innovationen brachte. Zum Beispiel mit den vollsynchronisierten Range-Getrieben der Baureihen 88 und 86. Mit ihren zwei mal vier Gängen erreichte die Schaltung eine enorme Bandbreite, so dass sich Fahrzeuge mit den selben Motoren und Getrieben gleichermaßen für die Baustelle wie für den Fernverkehr eigneten. 1969 verdoppelte eine Split-Schaltung die Zahl der Gänge auf 16.

Mit den schweren Frontlenkern war Volvo zu Beginn der siebziger Jahre in Europa gut aufgestellt. Zudem hatten die Göteborger Montagewerke Peru und in Australien. Und in Nordamerika vollzog sich eine Kehrtwende vom extrem kurzen zum beliebig langen Fahrerhaus. Von 1975 an gingen F4 und F6 im neu gegründeten Werk im belgischen Oostakker vom Band. Während der F4 vor allem als Siebentonner auch in Europa gut ankam, feierte der F6 seine größten Erfolge in den USA. Denn die Ölkrise hatte die Amerikaner kalt erwischt, die in ihren mittleren Lkw immer noch teures Benzin verfeuerten. So bot sich für Volvo eine gute Gelegenheit, mit leichten Diesel-Frontlenkern auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen.

Doch als Mercedes-Benz 1980 den nordamerikanischen Hersteller Freightliner übernahm, verlor Volvo damit seinen Importeur. Deshalb griff Volvo sofort zu, als der renommierte Hersteller White ins Trudeln geriet und gelangte so in den Besitz dreier amerikanischer Traditionsmarken – White, Autocar und Western Star. 1986 übernahm Volvo auch das Schwerlastsegment von General Motors. Von da an hießen alle amerikanischen Modelle White-GMC, was sich Anfang der neunziger Jahre änderte, als der Name Volvo zunehmend in Erscheinung trat. Ein drittes Standbein verschaffte sich Volvo bereits in den achtziger Jahren in Brasilien mit dem Werk in Curitiba. Auf Südamerikas Straßen gehören Volvo-Lkw seither zum gewohnten Bild.

1987 präsentierte Volvo mit dem F 16 ein neues Flaggschiff mit neu entwickeltem Reihensechszylinder mit 16 Liter Hubraum und 470 PS und einem maximalen Drehmoment von 2015 Nm – den stärksten Seriendiesel auf Europas Straßen. Bis 1993 sollte die F-Reihe Bestand haben. Der neue FH löste sie 1993 ab. Er war bald Europas beliebteste Sattelzugmaschine, während Volvo seinen Marktanteil in Europa und weltweit bis zu einem Bereich von zwölf Prozent steigerte. Seither verfolgt Volvo die Strategie, von einer einzigen, modularen Plattform ausgehend nicht nur die verschiedenen Anforderungen des Fern-, Verteiler- und Baustellenverkehrs, sondern auch die unterschiedlichen Bestimmungen und Gepflogenheiten aller fünf Kontinente zu bedienen – mit überzeugendem Erfolg.

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