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Schule: Er knurrt. Er brubbelt. Er faucht

Porsche hat den Cayenne aufgefrischt – einen starken Spaßmacher für Leute, die es nicht stört, wenn andere sie für maßlos halten

Die Sinnfrage schwebt über dem Porsche Cayenne wie die Möwen über der MS Europa. Braucht wirklich irgendjemand eine hochhackige Geländekutsche, die in knapp sechs Sekunden auf 100 ist? Der Cayenne Turbo, das Missing Link zwischen Panzernashorn und Eurofighter, wirkt auf strenggläubige Ökos so provozierend wie der G-8-Gipfel auf Attac-Leute, spätestens, seit „Autobild“ die alte S-Version mit Vollgas und Tempo 270 so lange im Kreis herumgedroschen hat, bis der Tank leer war und der Durchschnittsverbrauch feststand: um die 66 Liter.

Elegante Maßlosigkeit: Der überarbeitete Porsche Cayenne. Foto: Porsche Nun fragen Porsche-Ingenieure nicht in erster Linie nach dem höheren Sinn ihres Tuns, sondern machen das Machbare, einfach deshalb, weil es machbar ist. Wer 110 000 Euro für ein Auto ausgibt, dem ist der Verbrauch in der Regel sowieso egal. Und für all jene, die den Cayenne zwar mögen, aber trotzdem sparen wollen, baut VW bekanntlich den blutsverwandten Touareg auch mit Dieselantrieb; Audis Q7 nagelt auf gleicher Plattform in dieser Marktnische.

Andererseits wird aber ein Drittel der Cayenne-Produktion in den USA abgesetzt, und dort belastet hoher Verbrauch zunehmend auch das Firmenimage. Seit die Stars den Weg vom Privatjet zur Oscar-Verleihung lieber in Öko-Autos wie dem Toyota Prius zurücklegen, schwächelt Porsche drüben ein wenig, und so war nach vier Jahren eine gründliche Überarbeitung des Cayenne fällig. Das vorrangige Entwicklungsziel, weniger Verbrauch, wurde mit drei vollkommen neuen Benzinmotoren angestrebt, die sich das kostbare Super plus erstmals direkt in den Brennraum einspritzen und damit einen Minderverbrauch von bis zu 15 Prozent realisieren sollen: ein 3,5-Liter-Sechszylinder (290 PS), ein Achtzylinder-Saugmotor (385 PS) und ein Biturbo-Achter mit 500 PS. Den versoffenen Turbo S, der 520 PS hatte, gibt es vorerst nicht in neuer Version, dafür sind – was sollen die Porsche-Leute machen? – bei allen neuen Motoren die Leistungen drastisch angestiegen.

Zum ThemaDossier: Mobiles Leben Auch das Äußere wurde bei dieser Gelegenheit ein wenig geglättet. Umstritten war es, umstritten wird es bleiben. BBC-Schandmaul Jeremy Clarkson höhnte dereinst, er habe schon weniger hässliche Brandwunden gesehen; das war wie fast alle seine Äußerungen völlig übertrieben. Unzweifelhaft ist der neue Cayenne eleganter, wirkt durch Retuschen an Heck und Front weniger kantig, wenn auch nicht unbedingt sozialverträglicher. Zum Weichei ist er keinesfalls mutiert: Die weiterhin betont großmäulige Front dürfte, wenn sie im Rückspiegel herandrängt, auch S-Klasse-Besitzern Respekt einflößen.

Die zweitwichtigste technische Neuerung tarnt sich hinter dem Kürzel PDCC, „Porsche Dynamic Chassis Control“. Eine Hochdruckhydraulik, gesteuert von Bewegungssensoren in der Karosserie, verdreht die Stabilisatoren und wirkt so dem Aufschaukeln des Wagens auf Bodenwellen und in schnell gefahrenen Kurven entgegen. Dies dürfte vor allem magenempfindlichen Familienmitgliedern gefallen, wenn Papa wieder einmal zu sehr im Grenzbereich driftet. Es bringt aber auch deutlich mehr Ruhe im Gelände und heftet die Räder wirksamer an den Boden. Fünf bis sechs Sekunden Zeitgewinn pro Nürburgring-Runde seien drin, heißt es bei Porsche, und dafür sind die 3200 Euro Aufpreis im Turbo sicher nicht zu viel; die beiden anderen Modelle müssen allerdings vorher zusätzlich mit Luftfederung (2600 Euro) ausgestattet werden.

Zum ThemaFototour: Der neue Porsche Cayenne Für alle diese schrecklich teuren Neidautos gilt: Von draußen sind sie eine Sache, von drinnen eine ganz andere. Das ist im Cayenne nicht anders. Satt fällt die Tür ins Schloss, sanft grummelnd erwacht der Motor, der Überblick ist vorzüglich, und die sechs Gänge der Handschaltung (nur der Turbo hat serienmäßig die Sechsgang-Tiptronic) flutschen hinein wie die Katze durch den Zaun. Die Luftfederung bügelt alles glatt, die Bedienungselemente fügen sich intuitiv ohne viel Computerspielerei. Der Sechser knurrt, der Achter brubbelt, der Turbo faucht – Merkmale feinsten schwäbischen Sounddesigns. Für Bundesligafußballer und andere noch nachreifende Jungkunden ist im Achtzylinder zudem eine geänderte Abgasanlage verfügbar, die den Klang auf Knopfdruck in Richtung heiserer Hirsch verschiebt. Aber auch ohne diesen Appell an niedere Instinkte bleiben die Motoren porschetypisch hörbar und rangeln drinnen mit dem feinen Bose-Soundsystem um akustische Oberhoheit.

Das neue Traktionssystem PDCC sorgt für Grip, nicht nur im Gelände. Foto: Porsche Was die schwere Geländeausstattung angeht, liegt der Cayenne irgendwo zwischen den Nadelstreifen–Allradlern à la Q7 und Spezialisten wie dem Range Rover. Im südspanischen Gelände zog er souverän an Koppeln mit genervten Kampfstieren vorbei, schwächelte weder auf steilen, schrundig ausgewaschenen Feldwegen noch auf Geröll oder losem Sand. Ein Heer von elektronischen Helferlein hält dabei jeglichen Stress vom Fahrer fern; wer es heftig will, kommt allerdings am Offroad-Paket nicht vorbei, das für knapp 2300 Euro auch ein elektronisch geregeltes Differenzial für die Hinterachse umfasst.

So viel muss allen klar sein, die nach flüchtigem Blick auf die Grundpreise Omas kleines Häuschen zu billig verschleudern: Es sind nur Grundpreise. Der Sechszylinder steht mit 51735 Euro in der Liste und ist damit fahrbereit ausgerüstet, rollt sogar auf Leichtmetallrädern in der braven 17er-Größe. Doch selbst die elektronische Regelung der Klimaanlage, längst Standard in koreanischen Mittelklasselimousinen, will in diesem Einsteigermodell extra bestellt und bezahlt sein. Die Aufschläge für Leder, Sitzheizung, Lenkradheizung, Standheizung, Edelholz, Multifunktionslenkräder und Panoramadach häufen sich turmhoch – und welcher Porsche-Connaisseur wird schon auf die Radnabenabdeckung mit farbigem Wappen (160,65 Euro) verzichten wollen?

Selbst der nahezu komplett ausgestattete Turbo lässt noch reichlich Preisspielraum nach oben, zumal im Katalog „Exclusive“, wo Verlockungen wie die mit giottograuem Leder eingefassten Fußmatten in sandbeige oder die beleuchtete Edelstahl-Einstiegsblende mit dem Schriftzug „Walter Röhrl“ warten. Ein gefragtes Extra ist auch die Abholung des Wagens im Leipzig incl. Werksbesichtigung, Rundfahrt mit Instrukteur im Testgelände und Drei-Gang-Menü für 714 Euro. Rabatt, um auch gleich das noch abzuhandeln, gibt es nicht. Null. Niente.

Ja, der Verbrauch. Ist, gemessen an Gewicht, Karosserieform und Fahrleistungen des Cayenne nicht total unvernünftig. Aus den Bordcomputeranzeigen in Spanien ergab sich, dass bei gemischtem Programm (Autobahn bis ca. 150, Landstraße, Gelände) etwa 14 Liter beim Sechszylinder, 17 beim Achter und 20 im Turbo zu erwarten sind. Wer sich unmenschlich zähmt, kann das vermutlich unterbieten, aber warum sollte er dann Porsche fahren? Anfällig für Übertreibungen ist vor allem der Turbo. Ja, es ist sinnloser Blödsinn, die Kiste ständig anzuhalten, ein wenig im Stand grummeln zu lassen und dann mit einem Vollgas-Burnout derart ins Gelände zu schießen, dass rundherum die Vögel ohnmächtig von den Bäumen fallen. Es ist idiotisch, aber es macht einen Heidenspaß.

Das überlegene King-of-the-road-Gefühl liefern alle Cayennes, egal, wie man sie treibt. Und wo. Nur 15 Prozent der Produktion gehen nach Deutschland, Amerika führt nach wie vor, und der Absatz in Russland und Fernost macht den Porsche-Managern immer mehr Freude. Und in Dubai verdrängen Autos wie der Cayenne allmählich das Kamel. Wer Walter Röhrl ist, wissen die Scheichs dort vermutlich nicht, und auch die Reise nach Leipzig wird sie nicht interessieren. Sie könnten sich mit dem Multifunktionslenkrad in Olivenholz trösten. Dass es nicht beheizbar ist, wird in Dubai kaum auffallen.

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