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Schule: Ganz schön laut – und ganz nach Mälzers Geschmack

Wenn es in Hamburg donnert auf der Straße, gibt der Starkoch Gas. Der große Junge Tim liebt seinen edelprolligen Pick-up. Trotzdem hat er ihn zu Ebay gestellt – für ein Kinderprojekt soll die Kiste 75 000 Euro bringen

Was Spaß macht, muss laut sein. Kultkoch Tim Mälzer fuhr bisher einen 1948er GMC Pick-up. Das Auto war ursprünglich für Kleingewerbetreibende gedacht oder für einen Farmer, der auf der Ladefläche etwa Hühnerfutter transportieren wollte. Mälzer betreibt ein Gewerbe – mit seinem Partner Christian Senkel zusammen das Restaurant „das weisse haus“ am Hamburger Museumshafen. Hühnerfutter liefert da niemand. Aber nach dem Sonntag nächster Woche kann jemand anders seinen Großeinkauf für die Küche mit dem Pick-up erledigen. Falls ihm 300 PS, dicker Auspuff, tiefes Fahrwerk und breite Puschen nicht overdressed vorkommen. Tim Mälzer steigt um, es geht noch lauter. Den Oldtimer kann ab sofort jeder bei Ebay ersteigern, der Erlös hilft Kindern in Hamburg.

Der Sound aus acht Zylindern und die Kraft aus knapp sechs Litern Hubraum machen den Schlitten zum Straßenschreck. Es donnert, wenn Mälzer aufs Gaspedal tritt. Die Geländewagenmuttis in Hamburg-Eppendorf drehen sich um bei dem Getöse und erkennen den Fahrer. Mälzer lebte lange genug in dem Schicki-Stadtteil. Der Wiedererkennungseffekt seines Autos rührt ebenso von der Optik her. Früher noch mehr, da war der Wagen quietschgelb lackiert. Heute lassen auf die Kotflügel gemalte Flammen Böses unter der Haube vermuten. Ist das nicht zu prollig in der gediegenen Hansestadt? „Man kann das eine Angeberkarre nennen. Für mich zählt: Es macht Spaß“, wiegelt Mälzer ab. „Mädels habe ich deswegen keine rumgekriegt“, muss er potenzielle Käufer enttäuschen. Der GMC ist mit den Modifikationen zum Luxusauto geworden. Für Mälzer hat er Stil wie für andere ein Jaguar.

Extra für dieses Auto hat Tim Mälzer den Führerschein gemacht. Mit Ende 20. Etwa sechs Jahre ist das nun her, das Auto hat er damals von seinem Vater gekauft. Das war ein Scheunenfund irgendwann in den 90er Jahren. Jemand in München hat den Wagen importiert und komplett restauriert. Original ist nur noch die Form der Karosserie. „Schon bei einer der ersten Touren habe ich den Motor verheizt“, gesteht der Oldtimerfan. Geld für die Reparatur hatte er damals nicht, der Vater nahm den Wagen zurück – mit der Auflage, ihn niemand anderem zu verkaufen.

Als die Fernsehshows Mälzer zum Kultkoch und damit finanziell unabhängig gemacht hatten, kaufte er das Auto zum zweiten Mal. Und nun hängt sein Herz dran. Man muss sich von Dingen trennen können, findet der aus eher ärmeren Kreisen stammende Mann. „Und das fällt mir leicht, wenn ich damit Bedürftigen helfe.“

Mälzer hat einen guten Ersatz gefunden: Seit neuestem schlägt sein Herz für einen Ford Mustang von 1968. Der fällt nicht ganz so sehr auf, macht aber mehr Krach. Mälzers Augen leuchten, wenn er die 4,2-Liter-Maschine anlässt: „Weniger Hubraum, aber mehr Platz für den Motor und Doppelauspuffrohre. Das blubbert richtig.“

Ähnlich begeistert erzählt der Fernsehkoch von seiner Arbeit mit Kindern. In der Sesamstraße ist er früher aufgetreten, und in seinem Restaurant hat er Kochkurse für Kleine gegeben. Dahin kamen oft Sprösslinge reicher Eltern, „die nach Reit- und Hockeykurs zu kleinen Bocuses herangezogen werden sollten.“ Motiviert hat er sie mit einem Gang zum Wochenmarkt. Die Kinder durften alles einkaufen – vorausgesetzt, alles wird verarbeitet und gegessen. „Die haben dann eigene Menüs nach Farben zusammengestellt.“ Auf die Weise motiviert Mälzer Kinder zum Kochen und zum bewussten Umgang mit Lebensmitteln. Ein eigenes Kinderkochbuch will er aber trotzdem nicht schreiben: „Außer bunteren Bildern wüsste ich keinen Unterschied zu normalen Kochbüchern. Kinder brauchen eine Erlebniswelt, in der sie aktiv lernen.“ Tim Mälzer plant ein entsprechendes Projekt, mehr will er aber jetzt noch nicht darüber verraten.

Eigene Kinder wären dem Vielbeschäftigten im Moment ein zu großer Auftrag. Aber „für die Zukunft sage ich nicht Nein und nicht Ja.“ Vorerst übernimmt er Verantwortung für Kinder aus dem Milieu, das man neuerdings Unterschicht nennt. Die Organisation Arche holt sozial schwache Kinder von der Straße, gibt ihnen warmes Essen und vor allem menschliche Wärme, die zu Hause fehlt. „In Berlin verpflegt die Arche 600 Kinder täglich“, sagt Mälzer, „im reicheren Hamburg sind es immerhin zwischen 60 und 130.“

Der Verein hat einen kirchlichen Träger, doch Mälzer unterstützt die Arbeit aus einem anderen Grund: „Ich bin nicht einmal getauft, zweifle eher an der Institution Kirche. Für mich zählen die soziale Struktur und der Erfolg der Arbeit.“ Das Geld aus der Oldtimerauktion kommt der Hamburger Dependance zugute. Wie viel das wird? „75000 Euro stecken drin, das sollte der Wagen bringen.“ Nicht gerade wenig fürs Kleingewerbe.

Die Auktion bei Ebay hat am Donnerstag begonnen. Nach wenigen Stunden stand sie bei mehr als 12 000 Euro. Gesteigert werden kann bis zum 21. Januar: www.ebay.de

Frank Tiedemann

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