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Hochschulwesen: Weg vom Kurz-Bachelor

Die Wirtschaft will mehr Zeit für FH-Ingenieure. Die Industrie bevorzugt Hochschulabgänger mit Diplomabschluss. Solange es ihn noch gibt.

Die Wirtschaft möchte für den Bachelor mehr Zeit gewinnen. Nicht sechs, sondern sieben Semester soll das Studium dauern. Das ist nach langem Gegrummel im Hintergrund jetzt eine deutliche Aussage zur Reform der Reform. Auf dem „siebten Bauforum“ an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in Blankenburg rieten die eingeladenen Vertreter der Industrie unisono der Fachhochschule, den Bachelorabschluss künftig erst nach sieben Semestern zu vergeben.

Bei der Umstellung der Studiengänge in Deutschland auf Bachelor und Master ist die Phase des Endspurts erreicht. Zugleich jedoch gibt es mit den neuen Abschlüssen schon genügend Erfahrung, um Zwischenbilanz zu ziehen. Genau darum ging es der mit 10 000 Studenten größten Fachhochschule in Berlin, der FHTW.

Mit ihrem Wunsch nach mehr Zeit im Bachelor stellen sich die Abnehmer aus der Berufspraxis gegen die Allgemeingültigkeit der Forderung der TU9, für das Bachelorstudium nur sechs Semester anzusetzen. Die Gruppe der neun großen technischen Universitäten in Deutschland sieht den Bachelor eigentlich nur als Vorbereitung für den Masterabschluss an. Erst der Masterabschluss wird von der TU9 als Äquivalent zum berühmten deutschen Diplom-Ingenieur gesehen, dem immer noch viele nachtrauern.

Die Logik der TU9-Gruppe ist klar: Wenn das gesamte Studium nur zehn Semester dauern darf und erst der Master das Niveau eines Diplom-Ingenieurs erreichen kann, dann braucht der Master in der Regel vier Semester und damit sind sechs Semester für den Bachelor vorgegeben. Schließlich dürfen Bachelor und Master zusammen zehn Semester nicht überschreiten.

Doch Fachhochschulen sollten durchaus anders denken. Das Vorstandsmitglied vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Boris Engelhardt, erklärte, die Profile in der Ingenieurausbildung sollten sich unterscheiden. Auch die Arbeitgebervertretung der Bauindustrie meint: Die technischen Universitäten könnten bei ihrem sechssemestrigen Bachelorstudium bleiben, weil dort ohnehin das Masterstudium den eigentlichen Abschluss bilde. Aber die Fachhochschulen sollten ihren Bachelor als berufsbefähigenden Abschluss konzipieren – und dafür werde mehr Zeit benötigt, nämlich sieben Semester.

Der Vertreter der Baukammer Berlin, Karl-Peter Nielsen, betonte, der Diplom-Ingenieur sei bisher als Markenzeichen der Premiumklasse gewertet worden. Deswegen würden Diplom-Ingenieure in der Bauindustrie bevorzugt, solange es sie noch gebe. Aber das sei nur eine Frage der Zeit. An der FHTW ist der Diplom-Ingenieur ein Auslaufmodell, nachdem der Bachelor mit dem Sommersemester 2006 eingeführt wurde und das Masterstudium dort im Sommersemester 2009 beginnen wird. In demselben Jahr verlassen die letzten Diplom-Ingenieure die FHTW.

Aus der Sicht der Baukammer ist die Umsetzung der Bologna-Ziele „im Augenblick noch unbefriedigend“. Deswegen plädiert auch die Baukammer für sieben Semester bis zum Bachelorabschluss – ein Modell, dass in Berlin nur die Technische Fachhochschule (TFH) kennt. Auch ein Vertreter der weltweit agierenden Firma Eurovia forderte ein siebensemestriges Bachelorstudium. Nur durch eine solche Verlängerung könne die Basis für ein solides und breites Grundlagenwissen gelegt werden.

Um die Kontroverse richtig einordnen zu können, muss man vergleichen: Das Diplom-Studium an den Fachhochschulen dauerte bisher acht Semester. Ein ganzes Semester diente dem Ingenieur-Studenten dazu, in den Betrieben und damit in der Praxis Erfahrungen zu sammeln. Im verkürzten Bachelorstudium bleibt für ein ganzes Praxissemester keine Zeit. Nur ein halbes Semester steht für die Praxiserkundung, die eigentlich ein Markenzeichen des Fachhochschulstudiums sein soll, zur Verfügung. Auch ein Auslandsaufenthalt während eines sechssemestrigen Bachelorstudiums ist schwer zu organisieren.

Die Berufsaussichten für Bauingenieure werden als hervorragend bezeichnet. Während in der Branche noch vor Jahren 14 000 arbeitslose Bauingenieure gezählt wurden, konnten im Jahr 2006 über 3000 Stellen für Bauingenieure nicht besetzt werden.

Uwe Schlicht

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