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Schule: Höhere Gewalt

Die HP 2 von BMW ist ein kompromissloses Motorrad fürs Gelände und hat einen stolzen Preis

Noch niemals vorher musste man 92 Zentimeter Höhe überwinden, um auf die Sitzbank einer Serien-BMW zu gelangen. Doch diese glasklare Kompromisslosigkeit macht gerade den Charme der Geländesportlerin „HP 2“ aus. „Ein Traum vieler Boxer-Fans geht in Erfüllung“, wirbt die Pressemappe und es ist nicht zu dick auftragen. So leicht, athletisch und geländetauglich war noch kein Serienmotorrad aus Bayern.

Erst die leichte 1200 GS brachte 2004 die technische Basis mit, um die HP 2 zu vertretbaren Kosten entstehen zu lassen. Erfahrungen mit dem Gitterrohrrahmen der HP 2 sammelten die BMW Techniker schon lange mit der R 900 RR, die bei der Rallye Dakar eingesetzt wurde. Thront man auf der HP, beginnt sofort der Genuss. Die Sitzposition hinter dem strebenlosen Alulenker passt kurzen wie auch langen Kerls. Und das im Stehen wie im Sitzen. Am Lenker ist alles rasch zur Hand und die Bedienungselemente lassen keine Wünsche offen. Das Panel mit analogem Tacho bietet reichliche Informationen.

Auf der Straße losgefahren kann rasch durchgeschaltet werden, dumpf brummend bringt der Boxer seine nimmermüde Elastizität ins Spiel. Der Antrieb ist aus der R 1200 GS bekannt und steht mit 115 Nm bei gemütlichen 5500/min in den Papieren. Die Übersetzungen und Kraftübertragungsteile sind bei der R 1200 GS und der HP 2 identisch, daher erfüllt die HP 2 auch die Abgasnorm Euro 3. Die Stufung der sechs Gänge und der Gesamtübersetzung passt perfekt zum Mischbetrieb zwischen Bachbett und Autobahn. Mehr als 140 km/h empfehlen sich als Marschtempo allerdings aufgrund des Geländelenkers im Verein mit der aufrechten Sitzhaltung auf Dauer nur für Leute mit Stiernacken.

Zum Spritsparen ist die HP 2 eigentlich nicht gedacht, doch im Rollmodus zwischen Autos auf der Bundesstrasse steht trotz gelegentlicher Sprints immer eine Fünf vor dem Komma des Verbrauchswertes. Der 13 Liter fassende Tank erlaubt runde 200 Kilometer Praxisreichweite. Eine Tankfüllung Strecke kann man dank der straffen, aber fein konturierten Bank in einem Stück fahren.

Selbst eine Begleitung kann nicht maulen. Gegenüber aktuellen Tourensportlern oder anderen Hard-Enduros bietet die HP (nur als Extra) ein akzeptables Plätzchen in der Touristenklasse. Hier ist sie doch eine typische BMW, wenn sie auch im markeninternen Vergleich als spartanisch gelten muss. Doch die Reduktion auf ein Trockengewicht von 180 Kilogramm macht eitel Freude beim Aufsteigen: Federleicht und dabei zielgenau lässt sich die HP 2 um Asphaltbiegungen schwenken. In Kurven mahnen nur die montierten Grobstoller zur Mäßigung. Beim munteren Herausbeschleunigungen in den mittleren Gängen sucht der hintere Pneu schon mal nach Halt auf der Fahrbahn. Da die HP 2 aber ein Musterbeispiel für Gutmütigkeit ist, bremst sie den Tatendrang, bevor man vom auskeilenden Heck überrascht wird. Die groben Reifen beschränken trotz der 105 PS den Speed auf 160 km/h. Andere Profile sind aber möglich.

Wenn schon der Trip über die Landstraße zum Vergnügen wird, schlägt die Stunde der blauen Bajuwarin jenseits des Asphalts. Das Luftfederbein und die WAD-Teleskopgabel lassen die Piloten BMW-Fahrkomfort auch auf zerfurchten Pisten erleben. Das angenehm weiche Durchfedern in Verbindung mit superber Durchschlagsicherheit stellt den Entwicklern ein gutes Zeugnis aus. Die auf der Straße spürbare Zielgenauigkeit bleibt auch im Gelände erhalten und anders als viele Großenduros schiebt die HP 2 kaum je übers Vorderrad nach außen, so dass Könner genussvolle Drifts in Sand oder Schotter erleben können.

Auch eine Steckdose ist an Bord, wäre aber am Lenker schon wegen der GPS-Montage besser aufgehoben. Darüber hinaus gibt ein schlankes Stauraumprogramm für Tank und Heck.

Unter der Bank geht es aufgeräumt zu, das Werkzeug ist allerdings dürftig, ein Reifenkit gibt’s nicht. Jede Maschine wird mit einem Zylinderschutzkit, einem Stahlseil zwischen Fußbremshebel und Rahmen, dem so genannten „Brake Snake“, einer Scheinwerferschutzscheibe, einem Hinterachsschutz und Handprotektoren ausgeliefert.

Sehr nett ist, was man alles dazu bekommt. Jedoch könnten die Leitungen und Kabel hinter den Zylindern und die untere Federbeinanlenkung besser geschützt sein. Auch könnte das Werk den Lenkerprallschutz gleich aufstecken. Kleinigkeiten, gewiss; aber wenn der Kunde beim Bezahlen nicht kleinmütig sein soll, sollten es die Münchner auch nicht sein: 16 000 Euro sind – wie die ganze HP 2 – ein Fall von höherer Gewalt. Kleines Extra: Die hochbeinige Schönheit wurde kürzlich von Motorraddesignern in Paris beim „Mondial Du Deux Roses“ zur „Best of Show“ gekürt.

andy Schwietzer

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