zum Hauptinhalt
Viele Berliner Grundschulen hätten gerne eine durchmischtere Klientel

© dpa

Initiativen gegen soziale Abwanderung: Schulen ringen um gesunde Mischung

Die soziale Entmischung an Grundschulen schreitet voran. Viele Schulen in sozialen Brennpunkten bemühen sich mit verschiedensten Maßnahmen um eine ausgewogenere Klientel, oft vergebens. Doch es gibt auch Lichtblicke.

Die Situation kenne sie zur Genüge, sagt die Konrektorin einer Kreuzberger Brennpunktschule: Eltern, die bei der Grundschulanmeldung zerknirscht im Sekretariat sitzen und sagen, dass ihnen die Schule eigentlich sehr gefalle. Dass sie ihr Kind aber trotzdem nicht dort anmelden würden. Stattdessen wählen sie eine Privatschule oder eine, an der es mehr Kinder mit deutscher Muttersprache gibt. Dieses Verhalten bildungsbewusster Familien ist typisch für viele Berliner Kieze mit schwieriger Lage. Die soziale Entmischung an Grundschulen schreitet voran, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Analyse des Sachverständigenrates für Integration und Migration ergeben hat (wir berichteten). Für die Studie wurden rund 100 Schulen in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln untersucht. Knapp jede fünfte Schule hat danach einen mehr als doppelt so hohen Anteil von Schülern aus Einwandererfamilien als ihr zugehöriger Schulbezirk. Die Neuköllner Schulstadträtin Franziska Giffey (SPD) bestätigt diesen Trend: „Wir verlieren jedes Jahr rund 300 Schüler, die eigentlich in unserem Bezirk angemeldet werden müssten.“

Ihr tue es um ihre Schüler leid, sagt die Kreuzberger Konrektorin, die ihren Namen und den ihrer Schule lieber nicht in der Zeitung lesen will. Den Kindern fehle das muttersprachliche Vorbild deutscher Schüler. „Es heißt immer, sie sollen sich integrieren, doch ich frage mich, wo hinein eigentlich“, sagt die Lehrerin. Die Schule bemühe sich um eine ausgewogenere Klientel, kooperiere mit einer evangelischen Kita, Kindergartengruppen könnten die Sporthalle und Werkräume nutzen. „Von diesen Eltern kommt aber keiner zu uns“, sagt sie. „Einer müsste den Anfang machen, doch keiner traut sich“.

Eine, die sich getraut hat, ist Britta Gemmeker. Sie hat ihre Tochter vor vier Jahren an der Karlsgarten-Grundschule in Neukölln angemeldet, obwohl das Mädchen das einzige Kind mit deutscher Muttersprache in der Klasse war. „Wir haben es nicht bereut“, sagt Gemmeker. „Die Vorbehalte, die wir zu hören bekamen, haben sich nicht bestätigt.“ Inzwischen trauen sich auch noch andere Eltern. 2010 wurde die Initiative „Kiezschule für alle“ gegründet, in der sich Familien im Schillerkiez zusammengetan haben und für die Einzugsgebietsschulen werben.

Ähnliches gibt es auch an der Kreuzberger Lenau-Schule. Eine Initiative bringt Eltern zusammen, die ihre Kinder dann gruppenweise anmelden. Die Schule unterstützt das, musste sich aber kürzlich vorwerfen lassen, bei der Klassenzusammensetzung nicht auf eine ausgewogene Mischung geachtet zu haben. Inzwischen hat sich die Situation wieder beruhigt, die zwei Familien, die sich beschwert haben, haben die Schule verlassen. Die Gruppenanmeldungen gehen weiter, werden im nächsten Jahr aber auf höchstens acht Kinder pro Klasse beschränkt. Das Konzept scheint im Übrigen aufzugehen. Bei den Schulanfängern sei die Mischung von Kindern mit deutscher und nichtdeutscher Muttersprache zum ersten Mal seit Jahren wieder ausgeglichen, sagt eine Elternvertreterin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false