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Jürgen Zöllner: "Es geht um Vertrauen"

Schulsenator Jürgen Zöllner plädiert im Tagesspiegel-Interview nach den Vorfällen am Canisius-Kolleg bei Verdacht auf Kindesmissbrauch für Lösungen an den Schulen.

Von Sabine Beikler

Herr Zöllner, brauchen wir in Berlin einen Missbrauchsbeauftragten, nachdem viele Fälle von sexuellem Missbrauch an Jesuitenschulen bekannt geworden sind?



Es zeigt, dass man überhaupt nicht problembewusst genug in diesem Bereich sein kann. Wir müssen aus diesem Anlass überprüfen, ob die vorhandene Sensibilität, die aus meiner Sicht durchaus an den Berliner Schulen vorhanden ist, ausreicht. Statt eines Missbrauchsbeauftragten neige ich eher zu Lösungen vor Ort, weil das persönliche Vertrauensverhältnis in diesem Kontext eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Dieser Bereich ist so sensibel, dass er nicht durch Formalien oder die Einsetzung eines Beauftragten regelbar ist. Ein junger Mann oder eine junge Frau brauchen vielmehr das Gefühl, dass ihr Ansprechpartner vertrauenswürdig ist.

Sehen Sie die Kirche hier in besonderer Verantwortung?

Die Verantwortung gegenüber jungen Menschen ist bei jedem gleich. Das gilt für staatliche Schulen ebenso wie für freie oder konfessionelle Schulen.

Hat das Canisius-Kolleg die Bildungsverwaltung direkt über die Missbrauchsfälle informiert?

Die Schulaufsicht wurde am 22. Januar zum ersten Mal durch die Leitung des Canisius-Kollegs über die Vorfälle und das geplante weitere Vorgehen des privaten Schulträgers informiert. Die Schulaufsicht hat sich vergewissert, dass keine aktuellen Fälle vorliegen, die ein schulaufsichtliches Handeln erfordert hätten.

Erhält die Bildungsverwaltung generell Informationen, wenn der Verdacht auf sexuellen Missbrauch an einer Schule existiert?

Bei öffentlichen Schulen ist die Schulleitung verpflichtet, umgehend die regionale Schulaufsicht zu informieren und bei einem begründeten Verdacht Anzeige zu erstatten, soweit dies noch nicht geschehen ist. Bei Schulen in privater Trägerschaft besteht keine Verpflichtung zur Information der staatlichen Schulaufsichtsbehörde. Trotzdem wird bei Anhaltspunkten auf sexuellen Missbrauch oder Gewaltdelikten an Privatschulen dem sofort durch die staatliche Schulaufsicht nachgegangen. Anhaltspunkte können sich ergeben aus Schüler- oder Elternbeschwerden, Presseberichten oder auch aus anonymen Anzeigen.

Wurde die Tatsache, dass es an Schulen sexuellen Missbrauch geben kann, bisher zu wenig ernst genommen?

Ich habe den Eindruck, dass die Sensibilität zu den unterschiedlichen Formen von Gewalt und sexuellen Übergriffen an Berliner Schulen sicher überdurchschnittlich ausgeprägt ist. So etwas wird nicht auf die leichte Schulter genommen.

Sind neue Richtlinien im Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern notwendig?

Richtlinien sind zwar hilfreich und in vielen Bereichen der Schule notwendig und auch gegeben. Aber ich glaube nicht, dass wir gravierendes persönliches Versagen durch detailliertere Richtlinien ausschalten können. Es geht um Verantwortung, Vertrauen und Verständnis in der Schule. Dieses ist nicht primär durch Schulung und Richtlinien zu erreichen.

Nächste Woche beginnt die Schule wieder. Besuchen Sie das Canisius-Kolleg?

Wenn ich es tue, würde ich es sicher nicht in der Presse kundtun.

Suchen Sie das Gespräch mit Eltern, Schülern oder ehemaligen Schülern?

Ich werde in diesem Zusammenhang natürlich versuchen, im persönlichen Meinungsaustausch die Probleme aus der unterschiedlichen Sicht kennenzulernen.

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