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Kloster Wald: Wo Mädchen aus der Rolle fallen

Bis vor kurzem galten Mädchenschulen noch als anachronistisch. Doch immer mehr Studien zeigen, dass monoedukativer – also nach Geschlechtern getrennter – Unterricht besser auf die jeweiligen Bedürfnisse von Jungen und Mädchen eingeht.

Mädchen profitieren besonders in den eher männlich besetzten Fächern wie Mathematik oder Physik vom monoedukativen Unterricht. An der Heimschule Kloster Wald, einem benediktinischen Gymnasium mit Internat nahe dem Bodensee, weiß man das schon lange und fördert Mädchen in vielfältiger Weise.

„Als die Schule 1946 gegründet wurde, hat man sich ganz bewusst nur für Mädchen entschieden“, sagt Schulleiterin Anita Haas. „Sie können sich hier ohne Konkurrenzdruck auf ihre Begabungen konzentrieren, sich frei äußern und entfalten. Und sie sind meist selbstbewusster als ihre Altersgenossinnen an koedukativen Schulen.“ Auch nach dem Abitur profitieren die jungen Frauen von der Erfahrung, in der Schulzeit unter sich gewesen zu sein. Denn wenn man genau hinschaue, so Haas, könne man feststellen, dass nicht nur die meisten erfolgreichen Wissenschaftlerinnen, sondern auch viele Frauen in Führungspositionen von Mädchenschulen kommen.

Kloster Wald beschränkt sich dabei nicht nur auf die intellektuelle Bildung künftiger Maschinenbau-Ingenieurinnen oder Managerinnen, sondern spricht alle Sinne an. So gehören AG’s wie Fußball, Reiten, Computer oder Theater ebenso zum Programm wie das Klassenmusizieren, durch das die Mädchen nicht nur Musik erleben, sondern auch Disziplin, Teamgeist und Rücksichtnahme lernen. Teil des ganzheitlichen Konzepts ist auch eine handwerkliche Ausbildung, die die Abiturientinnen mit dem Gesellenbrief in der Tasche beenden. „16 Meisterinnen bilden unsere Mädchen ab Klasse 9 nach dem Unterricht einmal pro Woche aus“, erklärt Haas. Nach dem Abitur gehe es dann ganztags bis zur Gesellenprüfung weiter. Ob Holzbildhauerin, Schreinerin oder Schneiderin: „Das Handwerkliche schafft einen Ausgleich zum Intellektuellen und gibt den Mädchen ein anderes Erfolgserlebnis.“

Für diese Doppelqualifikation von Abitur und Berufsausbildung erhielt Kloster Wald im vergangenen November den „Ausbildungs-Ass“-Sonderpreis der Wirtschaftsjunioren in der Kategorie Ausbildungsinitiativen. Damit ehrte die Jury das Engagement, „das deutlich über das übliche Engagement einer Schule hinausgeht, die ihre Schülerinnen und Schüler ,nur‘ zum Abitur führt.“ Neben dem zusätzlichen Zeugnis bedeute das auch eine Erweiterung der Lernerfahrung.

Daher verwundert es kaum, dass die renommierte Schule von Jahr zu Jahr mehr Zulauf hat. Angezogen werden dabei nicht nur Mädchen aus der Bodenseeregion, sondern aus dem ganzen Bundesgebiet. „Von unseren 545 Mädchen leben 100 im Internat, und 60 sind Ganztagsschülerinnen im Tagesheim, wo sie bis abends von Erzieherinnen betreut werden", erzählt Anita Haas.

Fragt man die Schülerinnen, warum sie sich für Kloster Wald entschieden haben, antworten die meisten, dass sie ungestört von Jungs lernen wollen. „Jungen und Mädchen entwickeln sich unterschiedlich und haben andere pädagogische Bedürfnisse. Darauf können Lehrer und Lehrerinnen in monoedukativen Gruppen besser eingehen“, sagt die Schulleiterin. „Für die Mädchen bedeutet das auch, althergebrachte Rollenbilder ablegen zu können und sich frei zu entfalten, gerade in Mint-Fächern und im Handwerklichen.“ Die Abkürzung Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Und: Weltfremd ist man im Kloster Wald nicht. Kontakt zu Jungen dürfen die Mädchen natürlich haben – nur eben außerhalb der Schule. Tong-Jin Smith

Mehr im Internet:

www.heimschule-kloster-wald.de

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