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Laut Schulgesetz ist bei der Zusammenstellung von Klassen auf eine ausgewogene Mischung zu achten.

© dpa

Kurs in Berlin-Kreuzberg: Erst Klasse für die Eltern

In Kreuzberg begleitet ein Kurs Familien beim Schulstart ihrer Kinder. Was die Eltern beschäftigt: die ungleiche Verteilung der Kinder in den Klassen.

Seit ihre Tochter in der Schule ist, hat sie viel mehr Hunger. Sie isst sogar Obst, erzählt Dunya Amuri* und lacht. Sie sitzt gemeinsam mit zehn anderen Müttern und einem Vater im Schulcafé der Kreuzberger Lemgo-Schule. Hier treffen sich regelmäßig Eltern von Erstklässlern – sie machen beim sogenannten Family-Programm mit, das vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg organisiert und von der Vodafone-Stiftung gefördert wird. An mehreren Terminen vor und nach der Einschulung werden die Eltern mit dem Schulsystem bekannt gemacht. Das Angebot richtet sich vor allem an Familien mit Migrationsgeschichte und aus sozioökonomisch schlechter gestellten Gegenden.

„Was ist anders seit dem Schulstart?“, schreibt Sozialpädagogin Barbara Tennstedt, die den Kurs gemeinsam mit ihrer Arabisch sprechenden Kollegin Fadia Chahrour leitet, auf ein Blatt. Der Tagesablauf ist geregelter, die Kinder sind abends müde und gehen früher ins Bett, sagt eine Frau und die anderen nicken.

Die Mischung der Klassen finden die Eltern ungerecht

„Und was ist euch aufgefallen in der Schule?“, fragt Tennstedt weiter. Ein Thema beschäftigt die Eltern besonders: die Verteilung der Kinder in den Klassen. „Es gibt Klassen, in denen nur Kinder mit Migrationshintergrund sind, und andere, in denen viele weiße Kinder sind“, sagt Myriam Leroy. Die schwarze Französin sagt, dass sie diese Segregation aus ihrer Schulzeit in Frankreich nicht kenne und enttäuscht sei, dass die Lemgo-Schule das praktiziere: „Schule sollte doch ein Mikrokosmos der Gesellschaft sein.“ Eine andere Mutter vermutet, dass die Schule damit den „weißen deutschen Eltern“ entgegen kommen will.

Spricht man die Schulleitung darauf an, verweist Konrektor Jens Weinandt darauf, dass seine Schüler zu 90 Prozent einen Migrationshintergrund haben. „Wie soll ich da eine ausgewogene Mischung herstellen?“, fragt er. Es stimme aber, dass es in einer Anfangsklasse sechs Kinder ohne Migrationshintergrund gebe, und zwei Klassen, in denen alle Schüler ausländische Wurzeln haben: „Die deutschen Kinder wurden als Gruppe angemeldet, und wir wollen Freunde nicht auseinanderreißen“.

Mischt euch ein, rät die Leiterin

Die Eltern in der Family-Gruppe finden es dennoch ungerecht. Gemeinsam mit Barbara Tennstedt überlegen sie, was sie tun können. „Ein guter Weg wäre, das in der Gesamtelternvertretung zum Thema zu machen“, sagt Tennstedt. „Ihr könnt euch zum Elternvertreter wählen lassen, ihr könnt euch einmischen“, erklärt sie. Sie verteilt ein Informationsblatt, wo Rechte der Eltern aufgelistet sind. Zum Beispiel: Die Lehrer sind verpflichtet, ihnen Auskunft über den Lernerfolg der Kinder zu geben oder Einblick in die Schulakte zu gewähren.

Die Kursstunde neigt sich dem Ende zu, nun gibt es noch ein großes Frühstück: Kuchen, Oliven, Hummus, Käse und Brot haben die Eltern mitgebracht, es wird geplaudert und gescherzt. „Ich fühle mich hier sehr wohl, es ist schön, andere Eltern kennenzulernen“, sagt Hasna Saleh und schenkt ihrer Nachbarin noch ein Glas Tee ein.

*Namen der Teilnehmer geändert.

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