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Kurz vor ACHT: Mit elf im Dauerstress

Mein Sohn ist elf und geht in die sechste Klasse. Seit diesem Schuljahr verlässt er das Haus drei Mal in der Woche morgens um sieben und kehrt nachmittags um drei zurück, an den beiden restlichen Tagen um zwei.

Mein Sohn ist elf und geht in die sechste Klasse. Seit diesem Schuljahr verlässt er das Haus drei Mal in der Woche morgens um sieben und kehrt nachmittags um drei zurück, an den beiden restlichen Tagen um zwei. 33 Stunden sind das in der Woche. Fast wie in der Arbeitswelt der Erwachsenen.Würde er am Förderunterricht teilnehmen, kämen noch zwei Stunden hinzu.

Mit einem Unterschied: Für Schüler ist der Arbeitstag nach dem Schlussgong noch lange nicht vorbei. Denn dann warten noch die Hausaufgaben. Je nach Pensum und Schnelligkeit sind das weitere ein bis zwei Stunden.

Das heißt: Viele Sechstklässler sind erst um fünf oder sechs Uhr mit ihrer Arbeit fertig. Zeit für andere Dinge bleibt da kaum. Training im Sportverein, Musikschule oder einfach nur Freunde treffen und abhängen, lesen, Musik hören, Spielen mit den Nachbarskindern, vielleicht noch ein Schwimmbadbesuch – all das muss irgendwie noch in den Schüleralltag hineingequetscht werden oder es bleibt ganz auf der Strecke.

Warum der ganze Stress? Weil in Berlin das Abitur nach der 12. und nicht mehr nach der 13. Klasse abgelegt werden soll. Um die Unterrichtsstunden des gestrichenen Jahres wettzumachen, müssen die Kinder von der fünften Klasse an „vorarbeiten“ – und zwar alle bis auf die Hauptschüler, um möglichst vielen den Weg zum Abitur offenzuhalten.

Dass diese Schulzeitverkürzung auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird, liegt am fehlenden Mut der Politik. Wer die Schulzeit verkürzt, muss dann auch so souverän sein, Lerninhalte zu streichen. Wer sich das nicht traut, sollte die Abiturienten wieder 13 Jahre zur Schule schicken. Man kann nicht alles haben: Abitur in Rekordzeit, das volle Lernprogramm und ausgeglichene Kinder. Heike Jahberg

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