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Das sind nicht die Finger von "Frau Freitag". Die Aufnahme entstand im Informatikunterricht einer 7. Klasse in Biesdorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

Lehrer-Blogs: Gymnasium kann jeder

Lehrerin und Bloggerin "Frau Freitag" schreibt im Internet über ihre Arbeit an einer Brennpunktschule. Manchen geht ihre Offenheit zu weit. Doch Frau Freitag ist nicht allein, immer mehr Lehrerblogs finden sich im Netz.

Man muss sich einen gewöhnlichen Tag im Leben von Frau Freitag in etwa so vorstellen: Der Wecker reißt sie zu sehr früher Stunde aus den Federn, nach einigen Tassen Kaffee und der Morgenzigarette macht sie sich auf den Weg an ihre sogenannte Brennpunktschule in einer deutschen Großstadt, es könnte Berlin sein. Die folgenden Stunden widmet sie sich der nur sporadisch von Erfolg gekrönten Aufgabe, pubertierenden Teenagern aus bildungsfernen Schichten, vorwiegend mit Migrationshintergrund, die englische Sprache und Kunst nahe zu bringen. Erschöpft und oft ziemlich frustriert kommt sie am späten Nachmittag nach Hause. Parkt sich auf der Couch, zündet sich eine Zigarette an, klappt den Laptop auf und beginnt zu schreiben. Frau Freitag bloggt.

Und weil sie das tut, kann jeder teilhaben an ihrem Alltag im „schönsten Beruf der Welt“, wie sie findet . Frau Freitag ist Lehrerin mit Leib und Seele. „Ich bedauere jeden, der nicht Lehrer sein kann“, schreibt sie. Im Frühjahr 2009 tippte sie ihren ersten Eintrag, schnell wurde ihr Blog populär – und nicht nur unter anderen Lehrern. Im April 2011 erschienen die ersten Einträge als Buch: „Chill mal, Frau Freitag“. Es wurde ein Bestseller, die Fortsetzung ist für Sommer 2012 angekündigt.

Frau Freitag ist ein Pseudonym. Im Schutz der Anonymität erzählt die Pädagogin, die laut Verlagsangaben 1968 geboren ist, offen, schonungslos und witzig aus ihrem Lehrerleben an einer Brennpunktschule. Sie nimmt ihre Leser mit in den Unterricht, ins Lehrerzimmer, auf Klassenfahrt und zum Abschlussball. Sie schreibt über notorische Schwänzer, Polizeieinsätze auf dem Pausenhof und „Opferlehrer“. Und über ihre Schüler schreibt sie zum Beispiel: „Meine Klasse nervt aber auch total. Ununterbrochen labern sie, schreien, kommen zu spät. Was bin ich eigentlich für ein Freak, dass ich sie trotzdem alle mag?“

Manchen Lehrerkollegen geht die Offenheit zu weit, in Foren erntet Frau Freitag zum Teil kritische Kommentare. Bei ihren Fans aber kommen Offenheit und Humor kommen gut an. Umso wichtiger ist es Frau Freitag, ihre Anonymität zu wahren. Ihren richtigen Namen verrät der Verlag nicht. Namen, Orte und Zeiten sind im Buch verändert, auch wenn Frau Freitag beteuert, dass alles, was sie berichtet, tatsächlich so passiert ist.

Frau Freitag ist nicht allein, immer mehr Lehrerblogs finden sich im Netz. Zum Beispiel die Aufzeichnungen von Frau Freitags guter Freundin Fräulein Krise, die witzig und anekdotisch bloggt und „an der pädagogischen Borderline interveniert“, wie sie schreibt. Die Referendarin Janina Scheidmann, die an einer Neuköllner Grundschule Geografie und Kunst unterrichtet, berichtet in ihrem Blog von ihren Erfahrungen auf dem Weg in den Lehrerberuf. Thomas Rau, Lehrer für Englisch, Deutsch und Informatik an einem Münchner Gymnasium, betreibt seit vielen Jahren seinen Blog „Lehrerzimmer“ , in dem er über seinen Beruf informiert und fachliche Fragen diskutiert. Hier sind die Klarnamen der Lehrer kein Problem, weil es weniger um die Persönlichkeit der Schüler als um Tipps für den Unterricht geht.

Mit dem Gymnasiallehrer aus Bayern würden übrigens vermutlich weder Frau Freitag noch Fräulein Krise tauschen wollen. Gymnasium? „Kann jeder“, schreibt Frau Freitag.Barbara Kerbel

Die Blogs und Seiten sind zu finden unter http://fraufreitag.wordpress.com/, http://frlkrise.wordpress.com, http://kunstlehrerin.wordpress.com, www.herr-rau.de

Die Blogeinträge von Frau Freitag gibt es auch als Buch: Chill mal, Frau Freitag. Aus dem Alltag einer unerschrockenen Lehrerin. Ullstein Verlag 2011, 336 Seiten, 9,99 Euro.

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