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Nachhilfe: Den Noten auf die Sprünge helfen

1,1 Millionen Kinder und Jugendliche gehen regelmäßig zur Nachhilfe. In der Schule kommt individuelle Förderung oft zu kurz

Morgens, acht Uhr in Deutschland. An die neun Millionen Schüler sitzen jetzt in ihren Klassenräumen. Mathe, Englisch und Deutsch stehen in den kommenden Stunden auf ihrem Plan. Doch für viele ist auch nach dem letzten Klingeln kein Ende in Sicht: Es geht zum Nachhilfeunterricht.

1,1 Millionen Schüler besuchen jährlich einen privaten Nachhilfelehrer; das sind rund 12 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ende Januar veröffentliche Studie der Gütersloher Bertelsmann Stiftung. Und: Der „Unterricht nach dem Unterricht“ beginnt immer früher. Bereits jeder siebte Grundschüler erhält bezahlte Nachhilfe. Dabei hat nur gut ein Viertel tatsächlich schlechte Leistungen, die anderen liegen im guten bis mittleren Bereich. „Nach der vierten Klasse geht es in den meisten Bundesländern um die Empfehlung für die weiterführende Schule“, erklärt der Co-Autor der Studie, Bildungsforscher Klaus Klemm, dieses Phänomen – und die soll möglichst gut ausfallen.

Auch bei älteren Schülern lässt sich dieser Trend beobachten: „Nachhilfe ist nicht mehr nur Thema, wenn es darum geht, das Schuljahr zu bestehen“, sagt Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung, die die Studie in Auftrag gegeben hat. Eltern geht es auch darum, dass ihre Kinder einen möglichst hohen Schulabschluss erreichen und so ihre Chancen auf einen Ausbildungs- oder Studienplatz verbessern.

Insgesamt geben sie dafür jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro aus, so die Bertelsmann-Studie. Bis zu 130 Euro sind es pro Familie jeden Monat. Zahlen, die Bildungsexperten bedenklich stimmen. Denn nicht jeder kann sich den teuren Zusatzunterricht leisten. Marianne Demmer, stellvertretende Bundesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, spricht von einer „üblen Entwicklung“, die die soziale Spaltung vergrößere. Andrea Heiliger vom Bundesverband der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen betont allerdings, dass nicht nur wohlhabende Eltern die Förderung in Anspruch nehmen. Viele würden für die „Karriere“ ihrer Kinder eben bei Handy, Spielzeug oder Urlaub sparen.

Den Grund für den Nachhilfe-Boom vermutet Heiliger in schwindendem Vertrauen in die öffentlichen Schulen. Das sei auch an den steigenden Anmeldezahlen der Privatschulen ablesbar. Auch der Bildungsexperte Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, sieht in den Ergebnissen der Studie ein Signal dafür, dass viele Eltern mit dem Schulsystem offenbar unzufrieden seien.

„Nachhilfe ersetzt das, was in der Schule zu selten passiert: individuelle Förderung“, sagt Klaus Klemm. Um das zu ändern, sieht Marianne Demmer von der GEW vor allem die Politik in der Pflicht und fordert mehr Personal, mehr Ganztagsangebote, kleinere Klassen und eine bessere Vorbereitung von Lehramtsstudenten, wenn es um die individuelle Förderung einzelner Schüler geht.

Bis es so weit ist, werden Eltern weiter selbst aktiv werden müssen. Bei der Suche nach einem guten Nachhilfeinstitut (siehe auch Kasten) helfen unter anderem Zertifikate, die zum Beispiel vom Tüv oder der Gütegemeinschaft INA-Nachhilfeschulen vergeben werden. Die Schulen müssen dafür besondere Qualitätskriterien erfüllen und werden regelmäßig überprüft.

Darüber hinaus hat die Gütegemeinschaft Anfang des Jahres eine Ausbildung zum „INA-geprüften Nachhilfelehrer für individuelle Förderung“ ins Leben gerufen, um den Markt transparenter zu machen. „Es gibt einen riesigen Bedarf an qualifizierten Nachhilfe- und Förderlehrern“, sagt Cornelia Sussieck, die Vorsitzende der Gütegemeinschaft. Damit der Unterricht wirklich von Erfolg gekrönt sei, müssten Nachhilfelehrer aber nicht nur fachlich, sondern auch methodisch und pädagogisch fit sein. Diese Qualifikationen will die neue Ausbildung vermitteln. Sie umfasst einen theoretischen und einen praktischen Teil und kann innerhalb von drei Monaten in einer der Gütegemeinschaft angeschlossenen Nachhilfeschule absolviert werden.(mit dpa)

Anja Brandt

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