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Auf gute Noten kommt es an – mehr denn je nach der Schulreform entscheiden die Zensuren über den Zugang zu den weiterführenden Schulen. Umso genauer schauen Eltern jetzt hin, ob das Bewertungssystem an Grundschulen gerecht ist.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neue Aufnahmekriterien: Auf dem Klageweg an die Oberschulen

Berlins Verwaltungsgerichten droht angesichts der neuen Aufnahmekriterien in die Oberschulen eine Klagewelle. Eltern von Grundschülern wollen die Notengebung gerichtlich prüfen lassen. Einer Umfrage zufolge fehlen 3000 Siebtklässler-Plätze.

Berlins Verwaltungsgerichten droht angesichts der neuen Aufnahmekriterien in die Oberschulen eine Klagewelle. „Ich rechne mit einer Fülle von Eltern, die versuchen, ihren Kindern auf dem Rechtsweg einen Platz an der gewünschten Schule zu sichern“, sagt der Vorsitzende der Schulleitervereinigung in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Paul Schuknecht. Das bestätigt auch der Vorsitzende des Landeselternausschusses (Lea), Günter Peiritsch: „Eltern, die sich an Juristen wenden, kommen in Mode.“

Eine Mutter, deren Sohn in die Thalia-Grundschule auf der Halbinsel Stralau geht, droht Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) damit, notfalls bis vors Verfassungsgericht zu ziehen, um beim Übergang in die Oberschulen „Chancengleichheit durch objektive Bewertungsmaßstäbe“ zu gewährleisten.

Ursache ist, dass dieses Jahr zum ersten Mal die neuen Aufnahmekriterien von den Grund- in die Sekundarschulen und Gymnasien gelten. Dabei können die Schulen 60 Prozent ihrer Schüler selbst auswählen, 30 Prozent der Plätze werden verlost, zehn Prozent werden an Härtefälle vergeben. Deutlich mehr als die Hälfte der rund 200 weiterführenden Schulen wählt ihre künftigen Schüler nach dem Notendurchschnitt aus zwei Halbjahren der fünften und sechsten Klasse aus.

Bislang zählte bei der Platzvergabe die kürzeste BVG-Verbindung zur Schule – von Eltern jahrelang als äußerst ungerecht empfunden. Nun jedoch spielt der Notenschnitt die entscheidende Rolle, weshalb Eltern von Sechstklässlern jetzt einheitliche Bewertungskriterien in der Grundschule fordern. Diese lassen berlinweit nämlich einen gewissen Spielraum zu, so dass für eine bestimmte erreichte Punktzahl in einer Klassenarbeit an einer Schule noch die Note eins, an anderen Schulen schon eine zwei vergeben werden kann. Eltern würden Noten weit häufiger anzweifeln als bisher, berichten Schulleiter. „Und die Kinder stehen unter ungeheurem Druck“, sagt ein Vater aus Mitte.

Zudem wird das neue Aufnahmeverfahren von Eltern als extrem unberechenbar empfunden. Tatsächlich sind die Unwägbarkeiten des dreistufigen Verfahrens hoch: Niemand kann im Vorfeld sagen, wie hoch der Numerus Clausus an beliebten Schulen sein wird. Genauso wenig kann vorhergesehen werden, wie stark die Schule nachgefragt wird, wie viele Schüler also letztlich am Losverfahren teilnehmen werden.

Zwar haben sich genau deshalb, weil der Notenschnitt nicht anfechtbar ist, die Mehrzahl der Schulen auf dieses Aufnahmekriterium festgelegt. Weit weniger Schulen setzen auch auf Kriterien wie profilbezogene Eingangstests oder den Nachweis besonderer sportlicher oder bilingualer Fähigkeiten. „Egal, ob es rechtmäßig ist oder nicht, die Leute werden auf jeden Fall klagen“, sagt jedoch Paul Schuknecht. Dies wiederum, warnt Elternsprecher Peiritsch, führe zur „fatalen Entwicklung“, dass Schulen künftig nur noch nach gerichtsfesten Durchschnittsnoten aufnehmen – „obwohl Zeugnisnoten als Aufnahmekriterien nach wissenschaftlichem Stand längst abgelöst werden könnten“.

Für die neuen Siebtklässler wird es an den Oberschulen auch deshalb eng, weil der Jahrgang größer ist als sonst – der Einschulungszeitraum war vor fünf Jahren ausgedehnt worden. Eltern aus Prenzlauer Berg haben nun in Eigenregie alle Oberschulen der Stadt angerufen und berechnet, wie viele Klassen nächstes Jahr berlinweit fehlen. Das Ergebnis: Für rund 3000 Schüler, so die Initiatoren, gebe es keine Plätze. „Das ist eine solide Erhebung“, sagt Elternsprecher Peiritsch. Im Zeitraum des Auswahlverfahrens stünden zu wenige Klassen zur Verfügung. Nachsteuerungen kämen für viele Eltern zu spät – die Plätze an der Wunschschule seien dann bereits vergeben. „Wir sehen dringenden Handlungsbedarf.“

Während der Landeselternausschuss für das kommende Schuljahr von mindestens 25 Prozent mehr Schülern ausgeht, rechnet die Senatsbildungsverwaltung nur mit etwa 16 Prozent mehr Schülern. „Berechnungen, nach denen im kommenden Schuljahr die Plätze nicht auskömmlich sein sollen, treffen nicht zu“, heißt es dort. Es stünden ausreichend Kapazitäten in allen Oberschulen zur Verfügung.

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