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Schwänzen wird ab dem neuen Schuljahr härter bestraft.

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Neues Schuljahr: Schnelle Strafen für Schwänzer

Fehlzeiten sollen ab sofort konsequenter geahndet werden – so will es Senator Jürgen Zöllner Wie das in der Praxis aussehen soll, ist noch strittig. Bisher verfahren die Bezirke unterschiedlich hart.

Bußgeld, Haft oder doch nur eine strenge Anwesenheitskontrolle für Schulschwänzer: Welches das beste Mittel ist, um die Schüler in die Schulen zu holen, müssen die Bezirke jetzt mit der Bildungsverwaltung verhandeln. Schon steht fest, dass es eine harte Auseinandersetzung geben wird, deren Ergebnis nicht absehbar ist. Sicher ist nur, dass die Kontrollen strenger werden sollen. So jedenfalls will es Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD).

Für die Eltern, die ihre Kinder seit Montag wieder in die Schule schicken, ändert sich rein rechtlich zunächst nichts. Dazu müssen erst die Vorschriften geändert werden. Zöllners Referatsleiter Siegfried Arnz soll deshalb in einer Arbeitsgruppe mit Schulämtern, Jugendämtern, Schulaufsicht und Schulen ein einheitliches Verfahren gegen Schuldistanz entwickeln. Ob das noch im September klappen kann, wie es der Bildungsverwaltung vorschwebt, ist allerdings offen.

Denn die Bildungsstadträte gehen je nach Weltanschauung mit der Frage der Sanktionen für Schulschwänzer sehr unterschiedlich um. So gibt es Bezirke, die sogar Erzwingungshaft androhen, wenn Eltern ihr Bußgeld nicht zahlen. Reinickendorfs Bildungsstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) berichtet, dass sie allein 2009/10 in 42 Fällen beim Amtsgericht Erzwingungshaft gegen Eltern beantragt hatte. Ob das Amtsgericht tatsächlich jemanden ins Gefängnis geschickt hat, weiß sie aber nicht zu sagen.

Auch Neukölln behilft sich mit dieser Androhung und folgt damit einem Rat der verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig. „Wir haben 2011 insgesamt 18-mal Erzwingungshaft angedroht, woraufhin die Eltern sofort gezahlt haben“, berichtet Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD). Es musste also kein Elternteil in Haft. Dagegen gibt es Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg, die selbst Bußgelder nur selten verhängen: Bildungsstadträtin Monika Herrmann (Grüne) beschäftigt eine Sozialarbeiterin, die sich ausschließlich um die Schwänzer kümmert und den Gründen auf die Spur geht. „Wir haben eine geringe Rückfallquote“, berichtet Herrmann. Nur dreimal musste ein Bußgeld verhängt werden.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Beträge auf die Eltern zukommen können.

Welche Beträge auf die Eltern zukommen können, zeigt eine Übersicht der Bildungsverwaltung. Demnach wurden 2009/10 rund 80 Mal weniger als 100 Euro fällig, 115 Mal waren es 100 bis 150 Euro. Am häufigsten (260-mal) waren 150 bis 200 Euro zu überweisen, in Einzelfällen sogar mehr als 500 Euro.

Generell müssen sich die Eltern darauf einstellen, dass sie künftig schneller mit der Schule kommunizieren müssen, wenn ihr Kind krank wird. Die Bildungsverwaltung will, dass Eltern ihr Kind gleich morgens entschuldigen, so dass die Lehrer früh wissen, woran sie sind. Falls keine Meldung eingeht, will Zöllner die Schulen verpflichten, noch am selben Tag in den Familien anzurufen. Bisher haben sie hier mehr Spielraum.

Ob das neue Vorgehen praktikabel ist, ist unter den Rektoren umstritten – vor allem in den Oberschulen, wo der Klassenlehrer nicht täglich mit seiner Klasse Kontakt hat. Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren findet Zöllners Vorstoß dennoch „alternativlos“.

Von einem „sinnvollen“ Vorschlag spricht Paul Schuknecht vom Verband der GEW-Schulleiter. Er sei aber nur mit genügend Sozialarbeitern umsetzbar. Schuknecht hält es ebenso wie Inge Hirschmann vom Grundschulverband für vorrangig, dass Schulen „Trends“ entdecken. Es gehe nicht unbedingt darum, jedem Fall hinterherzutelefonieren, sondern dort nachzuhaken, wo sich Probleme anbahnten. „Diese Spielräume müssen Schulen haben“, fordern sie. Hingegen ist es in der Moabiter Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule seit Jahren üblich, dass die Sozialarbeiter allen fehlenden Schülern sofort hinterhertelefonieren. Hier gilt auch die Regel, dass sich alle Schüler schon am ersten Krankheitstag vor Schulbeginn entschuldigen müssen, berichtet Rektor Jens Großpietsch.

Landeselternsprecher Günter Peiritsch findet es ebenfalls richtig, dass Eltern gleich am ersten Tag in den Schulen Bescheid sagen müssen. Weniger positiv denkt er über Zöllners Vorhaben, die jungen Schwänzer selbst zur Kasse zu bitten.

Das sieht Wolfgang Lüdtke von der Neuköllner Kepler-Sekundarschule anders. Er kann sich gut vorstellen, dass es eine heilsame Wirkung erzielt, wenn Schüler vor der Frage stehen, ob sie lieber ihr Schwänzerbußgeld oder ihr Handy finanzieren. Lüdtke weiß, wovon er spricht: Seine Schule steht mit 58 Schulversäumnisanzeigen an zweiter Stelle in Berlin.

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