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Lernen nach Ankara-Methode. Den Konsularunterricht dürfen nur regimetreue Lehrer geben.

© IMAGO

Neues Türkischangebot an Berlins Grundschulen: Konkurrenz für den Konsulatsunterricht

Jetzt geht plötzlich alles ganz schnell: An den ersten Berliner Schulen sollen Türkisch-AGs starten. Lehrer dafür wurden gefunden.

Der türkische Konsulatsunterricht an den Grundschulen bekommt Konkurrenz: Die Bildungsverwaltung hat genug Türkischlehrer gefunden, um mit eigenen Angeboten zu starten. Ab Februar soll es nach Tagesspiegel-Informationen die ersten Arbeitsgemeinschaften geben. Die Zeit drängt vor allem in Mitte, wo der Konsulatsunterricht durch Mietforderungen zum Erliegen kam. Andere Bezirke wollen zwar keine Miete, suchen aber ebenfalls Alternativen, um den Einfluss der Lehrer aus der Türkei einzudämmen. Die Bildungsverwaltung bestätigte am Montag auf Anfrage, dass die AGs im zweiten Schulhalbjahr starten könnten.

Die Kultusminister entschieden - nichts

Von der Kultusministerkonferenz (KMK) ist aktuell keine Unterstützung zu erwarten: Zwar warf sie die Frage auf, inwieweit die Grundlage des Konsulatsunterrichts, nämlich die EU-Richtlinie zu Wanderarbeitern von 1977, „noch zeitgemäß“ sei. Die Kultusminister konnten sich am Donnerstag aber nicht auf sofortige Schritte einigen. Der „Erfahrungsaustausch“ ergab lediglich, dass die Länder das Thema „weiterhin sehr kritisch begleiten“ wollen. Auf die Tagesordnung kommt es erst wieder, „sollte sich weiterer Handlungsbedarf abzeichnen“. Wie berichtet, hat die Bildungsverwaltung im Rahmenplan aus Ankara „nationalistische und religiöse“ Inhalte entdeckt, die es laut Richtlinie nicht geben dürfte. Die Botschaft hat inzwischen eine überarbeitete Fassung vorgelegt. Ob die überarbeitete Fassung die Verwaltung überzeugt hat, war bislang nicht zu hören.

Weltanschauliche Neutralität nicht gesichert

Der KMK-Sitzung vorausgegangen war - auch aus der SPD-geführten Bildungsverwaltung in Berlin - harsche Kritik an der türkischen Ausrichtung des Konsulatsunterrichts. Wie berichtet, ist die geforderte weltanschauliche Neutralität nicht gegeben. Vielmehr sind die Liebe zur Türkei und der Glaube an Allah feste Zielvorgaben. Dies belegt ein aktueller Lehrplan für 2017/18, der dem Tagesspiegel vorliegt. Die Lehrplanvorgaben zielen über weite Passagen auf religiöse Erziehung und den Stolz auf die Nation. Somit hält sich die Türkei nicht an die bilateralen Abmachungen, wonach sich der Unterricht auf Heimatkunde und den Erwerb der Muttersprache beschränken soll. Abgeordnete mehrerer Parteien kritisieren das scharf. Andererseits protestierten auch Eltern und die Türkische Gemeinde gegen die Mietforderungen in Mitte.

Alle Schulbücher im türkischen Konsulatsunterricht sind vielfach mit der Nationalflagge geschmückt.
Alle Schulbücher im türkischen Konsulatsunterricht sind vielfach mit der Nationalflagge geschmückt.

© Mike Wolff

"Respekt vor der türkischen Flagge"

Im Vorfeld der KMK-Sitzung hatte sich auch die Linke zu Wort gemeldet. „Bund und Länder müssen dafür Sorge tragen, dass Erdogans langer Arm nicht mehr bis in deutsche Klassenzimmer reicht", forderte Sevim Dagdelen, der Beauftragte der Bundestagsfraktion für Migration und Integration. Der von der türkischen Regierung gesteuerte und finanzierte Konsulatsunterricht müsse gestoppt und "vollumfänglich in das staatliche deutsche Schulwesen überführt werden". Es sei unverantwortlich, dass von Erdogan entsandte Lehrer "Schüler in Deutschland indoktrinieren und womöglich auch ausspionieren können“, erklärte Dagdelen weiter: Bund und Länder müssten jetzt rasch handeln und verhindern, dass Zehntausenden von Schülern in Deutschland weiterhin grundgesetzwidrig die ‚Reinheit des Islam‘ und der ‚Respekt vor der türkischen Flagge‘ "eingetrichtert" werde. Gehör fand Dagdelen nicht. Auch die GEW und etliche Landespolitiker hatten darauf gedrängt, dass die KMK den Konsulatsunterricht nicht mehr "laufen lässt".

Forderung nach Alternativen

„Die im Lehrplan enthaltenen Inhalte sind mehr als besorgniserregend und für uns nicht hinnehmbar“, hatte zuvor schon die bildungspolitische Sprecherin der Berliner SPD-Fraktion, Maja Lasic, den Wortlaut des Rahmenplans kommentiert. Daher sei es „wichtig und richtig“, dass die Senatsverwaltung für Bildung Nachbesserungen eingefordert habe. Allerdings ist die Abgeordnete „skeptisch, ob die Nachbesserungen Früchte tragen werden angesichts der aktuellen Entwicklungen der Lehrpläne in der Türkei selbst“.

Daher komme es darauf an, dass der im Koalitionsvertrag enthaltene Ausbau staatlicher muttersprachlicher Angebote rasch erfolge, fordert Lasic. Die „einzige richtige Lösung“ bestehe darin, eigene Angebote in verschiedenen Herkunftssprachen zu stärken und nicht zuzulassen, „dass Regierungen anderer Länder unsere Kinder indoktrinieren“.

Bundesweit besuchen über 40.000 Kinder den Konsulatsunterricht

Der türkische Lehrplan, nach dem - zumindest in Berlin und Ländern wie dem Saarland - unterrichtet wir, steigt gleich damit ein, dass die Bedeutung von „nationalen und religiösen Feiertagen“ hervorgehoben wird. Weiter wird wie selbstverständlich vermittelt, dass Gott alles erschaffen habe. Bekenntinsneutralität sieht anders aus. An anderer Stelle sollen die Schüler einen eigenen Gebetstext erstellen.

Zudem geht es um „moralische Erziehung“, um den Propheten Mohammed, Ramadan und darum, sich mit Suren aus dem Koran zu beschäftigen. Übertitelt ist das mit der Zeile „Ich kenne meine Religion“. Später geht es um „Reinheit im Islam“ und immer wieder um das Beten

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