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Schule: Nichts Halbes, nichts Ganzes – aber was Neues

Cross-over heißt die Mode der Stunde. Auch Nissan will nichts verpassen: Der neue Qashqai

Was stellt man sich unter einem kompakten Stadtauto vor? Ein kleines Etwas, das in jede Parklücke passt – so es eine gibt? Einen Begleiter bei alltäglichen Einkäufen oder auf dem Weg zur Arbeit? Eine Familienkutsche, damit die Kinder auch wohlbehalten in die Schule gebracht werden können? Oder muss es als prestigeträchtiges Sports Utility Vehicle (SUV) daherkommen, so dass der Fahrer von oben herab auch immer die Übersicht im Gedränge behält?

Nissan verkündet nun, mit dem neuen Qashqai das zu „100 Prozent stadttaugliche“ Auto geschaffen zu haben. Okay, der Vergleich zum kleinsten in der Produktpalette, dem Micra, dürfe nicht gezogen werden, heißt es beim Hersteller. Aber kompakt sei der Qashqai doch und so viel wendiger als ein SUV, an dem man sich bei der Entwicklung orientiert habe, bewirbt Ralf Fengels, Produktmanager bei Nissan Europe, das japanische Cross-over-Modell.

Eines steht fest: Ein Cross-over ist der neue Japaner, der den blassen Almera in der Nissan-Flotte ablöst, auf jeden Fall – halb SUV, halb Schräghecklimousine. Und genau in diese Lücke soll der Wagen, der ab 24. Februar bei den Händlern steht, fahren. „Wir sind Segmenteröffner“, sagt Fengels. Tatsächlich wird derzeit kein Auto angeboten, zu dem der Vergleich nicht zumindest schief wäre.

So sprengt der Qashqai, gemessen an seinem Erscheinungsbild, die Golf- Klasse. Er steht auf höheren Beinen und kommt massiger daher als der Traditionalist von Volkswagen, selbst in dessen angekündigter Crossversion. Zugleich nimmt er sich kleiner als etwa der eher kompakte Toyota RAV 4 aus. Der 4,32 Meter lange Qashqai ist also längst nicht so bullig wie ein SUV, und doch erinnert vieles an ihn: Die Karosse ist mit ihrer Kunststoffvollverkleidung optisch klar auf SUV getrimmt, nur eben geschrumpft. Die riesigen, immerhin elektrisch einklappbaren Außenspiegel gewähren zwar gute Sicht, verbreitern das 1,78 Meter quer messende Auto jedoch um ganze 35 Zentimeter. Dies wie auch die hohe Ladekante machen den Japaner nicht stadttauglicher, wird darunter Funktionalität auf urbanen Wegen verstanden. Aber immerhin: Der Fahrer sitzt höher und kann Parklücken so zumindest besser ausspähen.

Einzigartig ist laut Nissan auch die Preispolitik: Der komplett in Europa entwickelte und gebaute Japaner könne als einziger Diesel mit Automatikgetriebe und Vierradantrieb in Deutschland für unter 30 000 Euro bestellt werden. Voll ausgestattet müssen für den 2,0-Liter-Selbstzünder 30 140 Euro den Besitzer wechseln. Mit im Paket sind dann unter anderem beheizte Ledersitze, ein riesiges Sonnendach mit elektrischem Rollo, Xenonscheinwerfer, eine Einparkhilfe und ein DVD-Navi, dessen Bedienelemente zusammen mit denen der Zwei-Zonen-Klimaautomatik die Mittelkonsole optisch jedoch leicht überfrachten.

Der Innenraum besticht ansonsten durch Aufgeräumtheit. Die Sicht auf die Rundinstrumente, deren Design an die von Motorrädern erinnern sollen, ist bei jeder Lenkradeinstellung gesichert. Nur der Blick nach hinten ist durch die kleine Heckscheibe und die fette C-Säule eingeschränkt. Hilfreich sind da die optionale Rückfahrkamera sowie die akustische Einparkhilfe. Die Verarbeitung ist japanisch solide. So geräumig der Qashqai für Fahrer und Beifahrer ist, lässt er größere Fondpassagiere im Stich. Die Kniefreiheit ist ebenso gering wie die des Kopfes.

Risiken während der Fahrt soll neben dem serienmäßigen Sicherheitspaket aus ABS, ESP, elektronischer Bremskraftverteilung und sechs Airbags auch der vom X-Trail bekannte Allradantrieb minimieren. Ist die Fahrbahn rutschig, wird zusätzlich Drehmoment auf die Hinterräder übertragen. Obwohl der Qashqai nicht fürs Gelände konzipiert wurde, hilft die im Stand zuschaltbare Differenzialsperre weiter, sollte der Wagen doch einmal im Schlick stecken bleiben. Auf freier Strecke erweist sich der vom Renault Scénic und Espace bekannte, leicht modifizierte 150 PS starke Diesel als äußerst fahrfreudig. Im 2-WD- Modus bringt der Wagen seine Kraft nicht zu 100 Prozent auf die Straße, untersteuert leicht. Aber wer drückt in der Stadt, dem verordneten Einsatzgebiet, schon voll aufs Gas? Da macht es auch nichts, dass der 2,0-Liter-Benziner trotz 140 PS etwas weniger spritzig ist.

Bei unserer Testfahrt durch Stadt und bergiges Land schluckte der Diesel laut Bordcomputer rund 7 Liter Sprit, der Benziner genehmigte sich mit im Schnitt 8,5 Litern mehr. In Kurven waren leichte Wankbewegungen auszumachen, was bei der Höhe von 1,6 Metern und der Bodenfreiheit nichts Ungewöhnliches ist. Die elektronische Servolenkung erwies sich als präzise und nicht zu weich, wie man es von manchem SUV kennt. Mit Blick auf Selbstverpflichtung der europäischen Autoindustrie, die Emission von Kohlendioxid bis 2008 auf durchschnittlich 140 Gramm je Kilometer zu beschränken, pustet der Qashqai vor allem als Allrader deutlich zu viel Schadstoffe in die Luft. Richtige SUVs stoßen jedoch über 300 Gramm aus. Den negativen Topwert liefert der 2,0-Liter-Benziner 4x4 mit 204 Gramm, am saubersten arbeitet der 1,5 dCi mit 145 Gramm.

Nissan hat auf der Qashqai-Website für den Cross-over eine eigene urbane, menschenleere Welt mit Tausenden von Parkplätzen geschaffen. Dort findet sich der nach dem iranischen Nomadenstamm Qashqai benannte Kompakte – der VW Toureq lässt grüßen – bestens zurecht. Ob er sich aber in den engen Städten bewährt, wird sich auch anhand der Verkaufszahlen ablesen lassen. So erhofft sich Nissan, „tradierte Kaufgewohnheiten aufzubrechen“. Das wird wohl nötig sein. Denn der „Qashqai ist ein schwieriges Fahrzeug, er lässt sich nicht kategorisieren“, sagt Nissan-Designer Stéphane Schwarz. Er sei für Menschen, die nicht in eine feste Schublade gesteckt werden möchten. In Deutschland soll der Cross-over neben dem Micra und dem X-Trail für Nissan gar zum Absatzmotor werden.

Stefan Weißenborn

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