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Oberschulen: Eltern finden Aufnahmekriterien undurchschaubar

Von "verängstigt" und "unglaublich nervös" bis "überglücklich" – so beschreiben Berlins Schulleiter die Elternbefindlichkeiten angesichts des neuen Aufnahmeverfahrens an den Oberschulen. Seit Montag können Anträge abgegeben werden.

Am ersten Tag des Anmeldezeitraums waren gestern bereits tausende Familien unterwegs, um in ihren Wunschschulen alle Unterlagen abzugeben. Dabei traten auch manche Überraschungen zutage.

Die größte Überraschung dürfte wohl darin bestehen, dass es zwei sehr nachgefragte Sekundarschulen gibt, die kein Losverfahren anwenden müssen: Sophie- Scholl- und Martin-Buber- Schule bilden ausschließlich Profilklassen für Kinder mit besonderen Begabungen etwa in Musik, Kunst oder einer Sprache. Statt des Losverfahrens haben sie sich allerdings verpflichtet, ein Viertel der Plätze für Schüler freizuhalten, die einen Schnitt von 2,8 oder schlechter haben. Damit soll vermieden werden, dass hier von der Klientel her reine Gymnasien entstehen. Bislang galt eine solche Abweichung vom sonst üblichen Verfahren als undenkbar.

Einige weitere Schulen mit besonderer pädagogischer Prägung sorgen auf andere Art dafür, dass in ihre Profilklassen keine Kinder reingelost werden, die dort nicht hingehören: Sie bilden zwei oder drei Profilklassen mit handverlesenen Kindern und erhöhen dafür die Losquote in den anderen Klassen auf 40 oder 50 Prozent. Entscheidend ist, dass der siebte Jahrgang im Schnitt einen Losanteil von 30 Prozent hat – so wie gesetzlich vorgeschrieben.

Ebenso diffus wie die Aufnahmeverfahren sind die Auskünfte, die man erhält, wenn man wissen will, was ein Härtefall ist. Selbst am Infopunkt der Bildungsverwaltung hört man dazu nichts Konkretes. Was als Härtefall anerkannt werde, hänge stark davon ab, wie viele dieser Anträge gestellt würden, da nur zehn Prozent der Plätze für Härtefälle reserviert seien, erläutert Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren. Wenn es an einer Schule wenige solcher Anträge gebe, habe man demnach größere Chancen, als Härtefall anerkannt zu werden, als an einer Schule, an der sehr viele Kinder als Härtefall deklariert würden.

Angesichts der großen Bandbreite an Möglichkeiten und Aufnahmekriterien sei das ganze Verfahren für die Familien eine „Blackbox“, begründet Landeselternsprecher Günter Peiritsch die Verzagtheit, aber auch Wut vieler Eltern. Hinzu komme die „Angst vor dem Wanderzirkus“, also den weiteren Fahrtwegen nach Abschaffung der Wohnortnähe als Kriterium bei der Schulplatzvergabe.

Nicht alle Eltern sehen das so. Ihm würden Eltern regelrecht „um den Hals fallen“, weil die Wohnortnähe nicht mehr ausschlaggebend sei, betont Ralf Treptow, der das Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasium leitet. Bisher musste er Schüler mit sehr guten Noten Absagen erteilen, nur weil sie am Stadtrand wohnten. Sie seien jetzt „überglücklich“, dass eine schlechte BVG-Verbindung nicht mehr der Wunschschule im Wege stehe.

Zu den Schulen, die sich in der Vergangenheit vor Anmeldungen kaum retten konnten, zählt das John-Lennon-Gymnasium in Mitte. Einer Gruppe anmeldungswilliger Mütter und Väter war die Nervosität am Montagmittag deutlich anzumerken. Mit angespannten Gesichtern saßen sie in einem kleinen Raum der Schule. Vor ihnen die Anmeldebögen, neben ihnen ihre nicht minder nervösen Kinder.

„Der Druck ist da, bei uns Eltern und bei ihr“, sagt Corinna Peter mit Blick auf ihre Tochter. Die habe zwar sehr gute Noten. Doch eine Garantie für die Wunschschule sei das nicht. „Man macht sich sehr verrückt – eine gute Schule ist wichtig, sie prägt das Kind.“ Ihre Tochter Laureen besucht die Grundschule am Kollwitzplatz. „Ich fände es doof, wenn ich auf eine andere Schule müsste,“, sagt sie. Hier könne sie Spanisch lernen, was sie immer wollte. Sie versuche, sich nicht zu verrückt zu machen: „Ich denke, dass ich es schaffe.“

Die elf Jahre alte Rozafa rechnet mit einem Notenschnitt von 3,0. Ihre Wunschschule ist das begehrte Lessing-Gymnasium in Wedding. Sie weiß, dass ihre Chancen mäßig sind. „Nachts kann ich manchmal nicht schlafen, weil ich mir solche Sorgen mache.“ Schulsekretärin Heike Schwebs nimmt erst mal alle Anmeldungen an – am ersten Tag seien es bis Mittag etwa 60 gewesen. „Heute Morgen um 7.10 Uhr kam der erste Vater.“

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