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Position: Schule muss auch Hochleistung fördern

Eltern, die ihr Kind von der Grundschule holen, sind doch keine Privilegienjäger.

Eine der zentralen Aussagen der Studie Element von Professor Rainer Lehmann ist, dass die durchschnittlichen Lernzuwächse im Leseverständnis von Fünft- und Sechsklässlern in Grundschulen größer sind als in den grundständigen Gymnasien. Dies ist zunächst eine positive Aussage über die Förderfähigkeit der Grundschule. Zugleich weist die Studie aber auf ein Problem hin: Wenn man die vergleichsweise kleine Gruppe der leistungsstarken Schüler nach ihren Lernzuwächsen vergleicht, schneiden diese an den grundständigen Gymnasien besser ab. Warum gibt es um diese Aussage eine solche Aufregung? Auf diesen Sachverhalt hat ein Teil von Eltern und auch Kindern seit langem hingewiesen, nämlich dass sie sich bereits in der vierten Klasse gelangweilt haben und nicht genügend gefördert wurden. Nicht zuletzt dem langjährigen Kampf dieser Eltern um die knappe Anzahl gymnasialer Plätze in Klasse fünf und sechs ist der Auftrag für diese Studie zu verdanken.

Die Studie zeigt eine Realität in der Berliner Schule auf, die Anlass für eine produktive Debatte um die Weiterentwicklung der Schule sein und nicht mit den gängigen Abwehrreflexen abgetan werden sollte. Diese Realität ist unter anderem Ergebnis einer jahrzehntelangen polarisierenden pädagogischen und bildungspolitischen Diskussion, wobei sich die Verfasserin dabei durchaus mit einbezieht.

Fast 30 Jahre lang wurde die Forderung nach mehr Leistung den Konservativen überlassen, die diese Kategorie oft in den negativen Kontext von Druck und Auslese stellten. Auf der anderen Seite wurde geradezu reflexhaft mit der Betonung „... aber das Soziale“ reagiert. Der Stellungskrieg, die Betonierung der Pole war wichtiger als die konstruktive Synthese und der pragmatische Schritt nach vorn.

Die Debatte um Chancengleichheit hat vor allem den Blick auf die Leistungsschwächeren und deren Förderung gelegt, offensichtlich auch mit gutem Effekt. Dies ist anzuerkennen und darf auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden.

Allerdings wurde dies offensichtlich erkauft mit der vergleichsweisen geringeren Beachtung der leistungsstärkeren Schüler. Die Annahme, dass diese die Aufmerksamkeit der Pädagogen weniger brauchten als die Lernschwächeren, hat hier zu einem Defizit geführt, das Eltern und Kinder verständlicherweise nicht zu akzeptieren bereit waren und sind.

Die Auflösung des Problems sollte nicht in einer vordergründigen Strukturveränderung der Schule gesucht werden. Gebraucht wird eine positive Akzeptanz von Leistung und Leistungsstandards als relevanter Kategorie in der pädagogischen Wirklichkeit. Schon Helmut Fend hat in den achtziger Jahren auf die negative Besetzung des Leistungsbegriffs in deutschen Schulen – sowohl durch Lehrkräfte wie durch Schüler – hingewiesen. Die Bereitschaft zu Leistung wird eher als Strebertum abgewertet. Auch sollten Eltern, die eine größere Herausforderung für ihre Kinder suchen, nicht als vermeintliche Privilegienjäger bewertet, sondern in ihrem Bemühen ernst genommen werden.

Wer in kanadische oder finnische Schulen schaut, bekommt anschaulich vor Augen geführt, dass die eigene Anstrengung, das Bestmögliche aus sich herauszuholen, eine Haltung ist, die positiv bewertet und öffentlich honoriert wird. Diese Systeme zeigen, dass integrative Schulen mit einer heterogenen Schülerschaft nur mit einem klaren Bekenntnis zu hoher Leistungsbereitschaft auch tatsächlich gute Ergebnisse bringen. Auch bei uns werden integrative Schulen nur akzeptiert werden, wenn sie hohe Leistungsstandards sichern, auch deren Vergleiche nicht scheuen und gleichzeitig für ein lernfreundliches unterstützendes Schulklima sorgen, in dem alle Kinder – leistungsschwächere wie leistungsstärkere – ihre Potenziale voll entfalten können. Dies zu zeigen, ist ein Verdienst der Element-Studie und kein Grund, den Forscher zu verprügeln.

Die Autorin leitet das Bürgernetzwerk Bildung des VBKI. Vorher war sie für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig und als Grünen-Politikerin Berliner Schulsenatorin.

Sybille Volkholz

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