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Reform: Alles zum neuen Schulgesetz

Aus Haupt-, Real- und Gesamtschulen werden Sekundarschulen, für Plätze an begehrten Gymansien gibt es eine Lotterie, der praxisorientierte Unterricht soll zunehmen und Sitzenbleiben wird abgeschafft: das sieht das neue Schulgesetz vor. Wir geben einen Überblick.

Sechs Seiten umfasst der Antrag, mit dem die rot-rote Koalition die „Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur“ vorantreiben will. Zwar wurde in den vergangenen zwei Wochen fast nur über die Verlosung von Schulplätzen gestritten. Tatsächlich geht es aber bei dem Antrag, der am gestrigen Donnerstag ins Parlament eingebracht wurde, um viel mehr. Hier eine kleine Übersicht über die wichtigsten Änderungen, die bis zum Herbst im Schulgesetz verankert werden sollen, damit die Reform ab dem Schuljahr 2010/11 greifen kann.

INTEGRIERTE SEKUNDARSCHULE
Die Begriffe „Haupt-, Real- und Gesamtschule“ verschwinden aus dem Berliner Schulvokabular. An ihre Stelle tritt die neue Sekundarschule. Sie beginnt ebenfalls mit der siebten Klasse, soll aber „gleichwertig“ mit dem Gymnasium sein. Das bedeutet, dass die neue Schulform nach den gleichen Bildungsstandards und Rahmenplänen arbeitet und bis zum Abitur führt. Alle Sekundarschulen, die nicht genug abiturfähige Schüler haben, sollen Kooperationen mit anderen Sekundarschulen oder mit den berufsorientierten Oberstufenzentren eingehen, von denen bereits einige zum Abitur führen. Es wird erwartet, dass die Gesamtschulen, die schon jetzt über Oberstufen verfügen, diese behalten werden. Die Sekundarschulen werden das Abitur generell nach 13 Jahren anbieten, aber auch der zwölfjährige Weg soll möglich sein. Die Schüler müssten dann entsprechend mehr Wochenstunden belegen.

GYMNASIEN
Für die Gymnasien ändert sich nur wenig. Sie sollen – wie 2005 beschlossen – in nur zwölf Jahren zum Abitur führen. Durch Überspringen einer Klassenstufe kann es eine weitere Verkürzung geben. Zusätzliche Angebote ab Klasse fünf soll es nicht geben. Dies bedeutet, dass die vorliegenden Anträge von mehreren Gymnasien nicht genehmigt werden.

KLASSENWIEDERHOLUNGEN
Das Sitzenbleiben soll – so wie in den Gemeinschaftsschulen – auch in den Sekundarschulen und Gymnasien weitmöglichst überwunden werden. „Nur in Ausnahmen“ solle man von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, heißt es im rot-roten Antrag. In jedem Fall soll das „Sitzenbleiben“ mit „Bildungs- und Erziehungsvereinbarungen“ einhergehen.

GEMEINSAM LERNEN
Generell sollen die Sekundarschulen integrativ arbeiten. Es ist nicht gewünscht, dass potenzielle Haupt- und Realschüler sowie Schüler auf Gymnasialniveau in unterschiedlichen Kursen voneinander getrennt unterrichtet werden. „Eine Aufteilung in unterschiedliche Bildungsgänge findet nicht statt“, heißt es deshalb im Antrag der Koalition. Die Sekundarschulen sollen aber selbst darüber entscheiden, mit welchen Methoden sie den unterschiedlichen Begabungen und Lerngeschwindigkeiten ihrer Schüler gerecht werden wollen. Der Aufruf zur „Überwindung“ der üblichen Aufteilung der Schüler nach Lernvermögen ist eine Abgrenzung von den bisherigen Gesamtschulen, die ihre Schüler je nach Leistungsfähigkeit auf verschiedene Niveaus verteilen.

FORTBILDUNGEN
Um Lehrern das Unterrichten in heterogenen Klassen zu erleichtern, sollen ihnen Fort- und Weiterbildungen angeboten werden, wie es sie auch jetzt schon für die Gemeinschaftsschulen gibt, die ebenfalls „integrativ“, also ohne Aufteilung in verschiedene Lernniveaus arbeiten.

GEMEINSCHAFTSSCHULEN
Die vor zwei Jahren gestartete Pilotphase für die Gemeinschaftsschulen wird fortgesetzt und wissenschaftlich begleitet. Weitere Schulen können sich bewerben und in jedem Schuljahr neu in die Pilotphase aufgenommen werden, heißt es im Antrag der Fraktionen. Im Gegensatz zu den neuen Sekundarschulen sollen sie aber möglichst nicht erst ab Klasse 7, sondern ab Klasse 1 beginnen oder zumindest mit Grundschulen kooperieren.

KLASSENFREQUENZEN
Da die Sekundarschulen künftig für die schwierige Schülerklientel zuständig sind, die bisher an den Hauptschulen unterrichtet wurde, sollen diese Schüler in kleineren Klassen unterrichtet werden als an den Gymnasien, die weiterhin mit rund 32 Schülern pro Klasse rechnen müssen. Für die Sekundarschulen sind 25 Schüler vorgesehen. Zudem soll es personelle Verstärkung für Teilungsstunden und individuelle Förderung geben. Die Höhe dieser Zusatzmittel richtet sich danach, wie viele Kinder aus armen oder Migrantenfamilien kommen. Zudem soll es für diese Schulen auch Sachmittel geben, damit es beispielsweise leichter wird, Klassenfahrten zu finanzieren.

GANZTAGSBETRIEB
Alle Sekundarschulen sollen auch Nachmittagsangebote vorhalten. Dies kann Förderunterricht sein, aber auch Freizeitbeschäftigung wie Sport- oder Musikkurse. Hierfür wird die Kooperation mit freien Trägern angestrebt. Bei den Gymnasien soll es einen „Einstieg“ in den Ganztagsschulbetrieb geben.

DUALES LERNEN
Jede Sekundarschule soll „duales Lernen“ anbieten. Die Schüler sollen tageweise in Betrieben oder in Berufsschulen praktisch arbeiten können. Bisher gab es das duale Lernen nur an Hauptschulen.

ZEITLICHE UMSETZUNG
Die Umwandlung der Haupt-, Real- und Gesamtschulen in Sekundarschulen soll in den Schuljahren 2010/11 und 2011/12 vor sich gehen. Noch ist nicht klar, welche Schulen und Bezirke sich an die Spitze der Bewegung stellen. Die notwendigen Umbauten für den Ganztagsbetrieb, also die Schaffung von Mensen und Aufenthaltsräumen für Schüler und Lehrer, beginnt bereits in diesem Jahr mithilfe der Mittel aus dem Konjunkturprogramm. Die Koalition rechnet damit, „dass die bauliche Herrichtung der benötigten Schulgebäude nicht vor 2015 abgeschlossen sein wird“, heißt es in dem Antrag.

FÖRDERSCHÜLER
Kinder mit Behinderungen sollen sowohl an Gymnasien als auch an Sekundarschulen integriert werden können, wenn die Eltern dies wünschen.

WEITERE NEUERUNGEN
Die Bildungsverwaltung hat die Vorstellungen der Koalitionsfraktionen bereits in einen Gesetzentwurf gefasst, der dem Tagesspiegel vorliegt. Danach sollen Sekundarschulen genau wie Gymnasien die Möglichkeit erhalten, ab Klasse 5 mit altsprachlichen Bildungsgängen zu beginnen. Außerdem werden die Grundschulen verpflichtet, mit weiterführenden Schulen und Kitas in der Umgebung zu kooperieren. Sie sollen darüber auch Vereinbarungen schließen. Kinder können künftig nur dann noch früher als vorgesehen eingeschult werden, wenn sie keinen Sprachförderbedarf haben. Bislang gab es diese Einschränkung nicht. Da es keine Hauptschulen mehr geben soll, heißt der bisherige Hauptschulabschluss künftig „Berufsbildungsreife“ oder „erweiterte Berufsbildungsreife“.

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