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Der Streit um die Vergleichstests geht weiter.

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Berliner Grundschulen: Rektoren befürchten Flucht auf Privatschulen

Mit einem dramatischen Appell hat sich der Grundschulverband an Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner gewandt. Der Verband fordert in einem Brandbrief, auf die wachsende Unterschicht zu reagieren. Die Lehrer beraten unterdessen über einen Boykott von Vergleichstests.

Die öffentlichen Grundschulen in Berlin entfernten sich davon, "eine gute Schule für alle Kinder zu sein", heißt es in dem offenen Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Schon jetzt versuche, wer es sich leisten könne, seine Kinder auf Privatschulen unterzubringen. Angesichts der hohen Zahl an Risikokindern sei es höchste Zeit, sich mit der "immer größer werdenden Unterschicht zu beschäftigen". Die Probleme lägen so klar auf der Hand, dass man keine neuen Vergleichsarbeiten wie "Vera" brauche, lautet die Einschätzung der Verbandsvorsitzenden Inge Hirschmann. "Es ist hinlänglich geklärt, dass Kinder nichtdeutscher Herkunft auffallend schlechter abschneiden", betont Hirschmann. Deshalb bringe ein neuer Vera-Durchgang die Schulen "nicht wirklich weiter". Am Montag diskutierte die Initiative "Schulen im sozialen Brennpunkt" darüber, ob sie die Vergleichsarbeiten boykottieren oder nicht. Eine Entscheidung war am Abend bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Wie berichtet, hatten über 1000 Lehrer in einem offenen Brief an den Bildungssenator geschrieben, dass sie den Drittklässler-Vergleichstest "Vera" ablehnen, da er zu schwer sei und die Kinder nur beschäme. Zöllner hat inzwischen mehrfach betont, dass er an "Vera" festhalte, zumal der Test auf einer bundesweiten Vereinbarung beruhe. Nach seiner Auffassung ist der Test auch für die Schulen wichtig, da er Aufschluss über die Kompetenzen der Kinder vermittle. Genau dies meint auch Landeselternsprecher André Schindler:Ein Boykott wäre "ein Offenbarungseid der Berliner Grundschullehrer". Als Grund für die Defizite der Kinder nennt Schindler "die mangelhafte Kompetenzvermittlung aller Beteiligten: der Eltern, der Kita-Erzieherinnen, der Lehrern."

Die Vorsitzende des Grundschulverbandes sieht das anders: Alle Anstrengungen führten nicht weiter, wenn die personelle und räumliche Ausstattung nicht ausreiche, heißt es in dem Brief an Zöllner. Es müsse endlich "Schluss sein mit der Unterfinanzierung des Primarschulwesens". Hirschmann gibt ausdrücklich dem FU-Erziehungswissenschaftler Jörg Ramseger recht, der im Tagesspiegel geäußert hatte, die "Dramatik der sozialen Brennpunkte" werde noch nicht ausreichend berücksichtigt. Deshalb brauche man in den Grundschulen auch Psychologen, Sozialarbeiter und Sonderpädagogen, fordert Hirschmann. Zudem müssten in den jahrgangsgemischten Anfangsklassen unbedingt immer zwei Lehrer anwesend sein. Um kurzfristigen Unterrichtsausfall zu vermeiden, sei eine feste Personalreserve von fünf Prozent unverzichtbar. Darüberhinaus mache das Personalkostenbudget nur Sinn für längerfristig erkrankte Lehrer. Wie berichtet, benutzen viele Schulen ihre zusätzlichen Stellen für die Deutschvermittlung als Steinbruch für den Vertretungsunterricht. Dies wird seit langem kritisiert. Die Schulen wissen sich allerdings nicht anders zu helfen, wenn der Krankenstand hoch ist, da die Kinder nicht nach Hause geschickt werden dürfen.

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