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Schule: Renault wagt den Ausbruch

Mégane überrascht mit ungewohntem Design / Hohe Qualität und überzeugende Fahrleistungen

In drei Wochen geht er an den Start – der neue Renault Mégane. Ein Auto, bei dem manchem Renault-Händler irgendwie nicht ganz so wohl ist, wie sich das bei einem gelungenen Nachfolger für ein Erfolgsmodell gehört. Denn immerhin hat es die bisherige Mégane-Generation weltweit auf 4,1 Millionen Exemplare gebracht. Fast eine halbe Million davon wurde in Deutschland zugelassen. Ein echter Erfolgstyp also, der damals den Renault 19 ablöste – und das gleich mit einer Modellfamilie vom Coupé über Limousine, Kombi und Cabrio bis zum Minivan.

Das wird auch bei der neuen Mégane-Generation so sein, die erst einmal mit den drei- und fünftürigen Limousinen startet, die dem Coupé und dem fünftürigen Schrägheckmodell nachfolgen, und einmal in sieben Modellvarianten verfügbar sein wird. Dabei rechnet Renault damit, dass die Gesamtproduktion aller neuen Mégane-Varianten mit rund 4,5 Millionen um zehn Prozent über der des Vorgängers liegen wird.

Wenn das mal gut geht, meint allerdings mancher Betrachter der neuen Limousinen. Denn das sind Autos, deren Heckpartie mit allem bricht, was bisher in der Kompaktklasse gebaut wurde, mit der halbrunden fast senkrecht stehenden Panoramascheibe ausbricht aus dem Rahmen der gewohnten Konstruktionen und neue Wege geht. Wege, die Renault mit seinen Oberklassemodellen Vel Satis und Avantime bereits vorgezeichnet hat und deren erste Elemente sich bereits ganz deutlich beim neuen Laguna erkennen lassen.

Neue Wege, die nun allerdings in einer der wichtigsten Fahrzeugklassen des Marktes betreten werden, in der sich bislang jeder Hersteller bemüht, den Kunden insgesamt gefällige und nicht provozierende Formen anzubieten. Renault dagegen wagt mit dem neuen Mégane den Ausbruch in eine neue Designwelt, mit dem Risiko, die Kunden zu verblüffen, zu verunsichern, zu erschrecken – aber ebenso gut auch zu begeistern. Ein Auto, das wie kein anderer Kompakter polarisiert.

Steht man direkt vor dem neuen Mégane, wirkt er noch ganz normal, zeigt das typische neue Familiengesicht mit dem kraftvollen Rhombus in der Mitte der Motorhaube. Ähnlich empfindet man, wenn man ihn direkt aus der Heckperspektive betrachtet. Dabei zeichnet das Licht auf der Karosserie kräftige Kanten und attraktive Dreiecke, lässt den Wagen sehr breit und kraftvoll wirken. Doch geht man ums Heck herum und blickt schräg aufs Heck und auch direkt auf die Flanken, dann wird das Bild überraschend anders.

Und hier scheiden sich die Geister. Doch unter ablehnende Äußerungen wie hässlich und gar unmöglich mischen sich auch begeisterte Töne, spürt man bei vielen ein erleichtertes Aufatmen, dass es nun endlich einmal ein Hersteller gewagt, aus der erstarrten Formenwelt auszubrechen. Und wenn man sich ein wenig Zeit nimmt, dann beginnt das Mégane-Heck mit jedem Blick interessanter und attraktiver zu werden, wobei es oft genügt, nur wenige Zentimeter weiter zu rücken, um völlig neue Formen und Lichtspiele zu erleben. Nachdem wir einen halben Tag mit diesem Auto unterwegs waren, es aus allen möglichen Perspektiven auch mit der Optik der Kamera zu erfassen versuchten, hatte uns dessen Formensprache bereits voll überzeugt. Es wird vielen, die im ersten Augenblick überrascht zusammenzucken, sicher ähnlich ergehen. Und jene Unruhe, die derzeit so manchen Renault-Händler quält, dürfte schon bald der Gewissheit weichen, dass Renault im modernen Automobildesign einen wegweisenden Schritt nach vorn gemacht hat.

Doch die Form ist nur die eine Seite eines Autos – wenn auch eine betont Emotionen ansprechende. Nicht minder wichtig ist, wie man mit einem solchen Gerät umgehen kann, wie es sich fährt, wie man darin sitzt, was man damit machen kann. Hier sammelte der neue Mégane eine ganze Reihe von Pluspunkten - aber auch den einen oder anderen Minuspunkt. Zum Beispiel bei der hohen Ladekante. Denn wenn man schweres Gepäck im variablen Laderaum unterbringen will, der mit 330 bis 1190 Liter ein wenig knapper ausfällt als der des Vorgängers mit 348 bis 1210 Liter, muss man die Muskeln schon ganz schön anspannen.

Und obwohl der neue Mégane mit einer Länge von nun 4,21 Meter, einer Breite von 1,78 Meter und einer Höhe von 1,46 Meter in allen Dimensionen ein wenig zugelegt und mit knapp 2,63 Meter auch einen größeren Radstand hat als der Vorgänger, bietet der Fond nicht ganz die Großzügigkeit, die man eigentlich erwartet, sind die Sitzflächen der Fondsitze recht kurz und muss man schon gelenkig sein, beim Dreitürer hinten ein- und auszusteigen – trotz Easy Entry. Umso bequemer kann man es sich dafür vorn machen, wo man auf höhenverstellbarem Sitz mit einer überraschend tiefen Position und der in zwei Ebenen verstellbaren Lenksäule schnell einen ebenso komfortablen wie sicheren Platz hinterm Lenkrad findet.

Gut gefallen hat das Interieur, bei dem Renault keine großen Experimente wagt, allerdings das erstmals in die Serie umsetzt, was man unter „Touch Design" versteht – die Kombination von perfekter Ergonomie und emotionaler Ästhetik , die zu Formen führt, die ihre Funktion unverwechselbar ausdrücken. Wie zum Beispiel beim Handbremsgriff, der den Gasgriffen in Flugzeugen ähnelt, dem Schalthebel oder auch den Bedienelementen für die Klimatisierung. Ein modernes Interieur, das trotzdem sehr sympathisch wirkt und mit dem Renault nun auch in dieser Klasse noch konsequenter auf höchste Material- und Verarbeitungsqualität setzt, wie die dort verarbeiteten Stoffe und Oberflächen bestätigen. Besonders angenehm sind die betont griffsympathischen Kunststoff-Oberflächen, die sich ausgesprochen sanft anfassen.

Sanft gab sich auch der zu ersten Probekilometern bereitstehende erste Motor aus einer Palette von anfangs fünf Aggregaten – der stärkere der beiden direkt einspritzenden Turbodiesel mit Common Rail, der aus 1,9 Liter Hubraum 88 kW (120 PS) entwickelt und bei nur 2000/min sein höchstes Drehmoment von 270 Nm liefert. Und auch bei höheren Drehzahlen fragten wir spontan, wo die Mégane-Konstrukteure das typische Dieselgeräusch versteckt haben. Denn davon, dass hier tatsächlich ein Diesel arbeitete, hörte man nichts. Dafür verblüffte dieser Motor mit Fahrleistungen, die man eigentlich nur sportlich nennen kann. Leichtfüßig beschleunigte er binnen 10,5 Sekunden auf Tempo 100 und erst bei 196 km/h kam die Tachonadel zum Stillstand. Und mit 5,4 l/100 km ist der Kraftstoffverbrauch wirklich bescheiden.

Nicht ganz so leise ging der kleinere Diesel zu Werke, der 1,5-Liter mit 60 kW (82 PS), der mit 185 Nm bei 2000/min nicht ganz so bullig wie der 1,9-Liter ist, mit 14,3 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100 sowie maximal 170 km aber ebenfalls respektable Fahrleistungen bietet – bei einem Verbrauch von gerade einmal 4,6 l/100 km. Sein Dieselsound war allerdings nur deshalb besser erkennbar, weil Renault dem höchsten Ausstattungsniveau Luxe einfach mehr Dämm-Material spendiert als den Ausstattungsvarianten, Mégane und Confort, in denen wir den kleineren Selbstzünder erprobten.

Als sehr agil erwies sich auch das Spitzenmodell der Benziner, der 2.0 16V mit seinen 99 kW (135 PS), der bei 3750 ein Drehmoment von 191 Nm liefert und den bis zu 200 km/h schnellen Mégane binnen 9,2 Sekunden Tempo erreichen lässt. Sein Durchschnittsverbrauch liegt bei 8,0 l/100 km und er erfüllt die deutsche Abgasnorm D4. Auf den schmalen Bergstraßen von Ardennen und Eifel konnte auch das – allerdings relativ straff abgestimmte – Fahrwerk des Mégane, das wie bisher auf eine Federbein-Vorderachse und eine Verbundlenker-Hinterachse setzt, seine hohen Qualitäten ausspielen. Es ließ den Mégane auch bei flotter Kurvenfahrt zielgenau und problemlos dem Lenkeinschlag folgen und ließ nie den Eindruck aufkommen, dass man das Auto nicht sicher im Griff habe. Und für den Fall des Falles greift die Fahrdynamikregelung ESP ein, die den Mégane schnell wieder auf Kurs bringt. Auch die Benziner mit 1,6 Liter und 83 kW (113 PS) und 1,4 Liter und 72 kW (96 PS) überzeugen durch ansprechende Fahrleistungen.

Bereits die Basismodelle des Mégane sind sehr gut ausgestattet. Besondere Pluspunkte verdient allerdings die beispiellose Sicherheitsausstattung mit bis zu zehn Airbags, zu der auch die von uns bereits vorgestellten metallenen Submarining-Airbags unter den Fond-Sitzkissen der Dreitürer gehören. Insgesamt eine gelungene Kombination aus überzeugender Technik, guter Ausstattung, hoher Verarbeitungsqualität und einer mutigen und wegweisenden Formgebung, die gute Voraussetzungen mitbringt, an die Erfolge des Vorgängers anzuknüpfen und zugleich ein wenig Farbe in die kompakte Mittelklasse zu bringen.

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