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Echt global. In der Neuköllner "Sommerschule" lernen Kinder aus unterschiedlichen Familien und Nationen zusammen. Ein Mädchen reiste sogar extra aus China an.

© Doris Spiekermann-Klaas

Schule: Rezepte gegen Langeweile

In der „Sommerschule“ der Neuköllner „Stadtvilla global“ ist viel los: Kinder lernen kochen, musizieren, filmen – und was Demokratie ist

Maxell schnippelt Zucchini: zwei Schnitte längs, dann quer, damit es ordentliche Quadrate ergibt. Er hilft oft zu Hause, sagt er. Seine Mutter kommt aus Nigeria und kocht manchmal nigerianisches Essen mit Hirse.

Sophie erzählt, dass bei ihr zu Hause selten gekocht wird, meistens gibt es Brot. Sie habe wenig Gelegenheit zum Helfen. Umso konzentrierter tut sie es hier, im „Koch-Bus“. Auch Yvonne, Alijah, Tommy und Amélie sind ganz bei der Sache, schneiden Paprika, vierteln Tomaten und zupfen Basilikum. Der jüngste Hilfskoch ist sieben, der älteste elf.

Der „Koch-Bus“ ist begehrt. „Schnippeln, rühren, riechen, schmecken macht einfach Spaß“, findet Tommy. Der mit moderner Küchentechnik umgerüstete, gelbe Doppeldecker-Bus ist eine Idee des Vereins Berliner Tafel, um Kindern Lust zu machen auf gesundes, selbst gekochtes Essen. Nebenbei trainieren sie ihre motorischen Fähigkeiten, lernen, wie man eine Melone öffnet, ohne sich in den Finger zu schneiden, und erfahren, welche Kräuter es gibt oder warum ein aufgeschnittener Apfel braun anläuft.

Gesunde Ernährung ist ein Schwerpunkt in der „Stadtvilla global“ in der Neuköllner Gropiusstadt. Die Betreuer wissen, dass in vielen Familien im Kiez nicht gekocht wird und die Kinder lieber in Schnellrestaurants um die Ecke gehen. Die Folge: Eltern und Kinder werden zu dick und sind anfälliger für Krankheiten. Erzieherin Kirstin Beu hat also keine Mühe gescheut, um den „Koch-Bus“ hier auf den Hof zu holen.

Überhaupt unternimmt das kleine Team von der Stadtvilla viel, um seine „Sommerschule“ attraktiv zu machen. Sie hätten das gar nicht nötig, es gibt eh schon eine Warteliste, weil so viele Kinder drei Wochen in den Sommerferien von 9 bis 16 Uhr hierher kommen wollen. Dass man in der „Stadtvilla global“ nicht nur kochen, sondern auch malen, musizieren, Instrumente bauen und Theater spielen kann, hat sich herumgesprochen unter Geschwistern, Cousinen und Freunden – weit über die Nachbarschaft in der Gropiusstadt hinaus. „Mehr als 50 Kinder geht leider nicht“, sagt Kirstin Beu. Sonst könne man dem Anspruch nicht mehr gerecht werden.

Die Einrichtung wird seit vielen Jahren vom Bezirksamt Neukölln getragen und wirbt damit, besonders auch in den drei Wochen „Sommerschule“ Jugendliche in ihrer „Demokratiefähigkeit“ zu unterstützen und in ihren „sozialen Kompetenzen“ zu schulen.

Im Workshop „Demokratie“ im Obergeschoss des rechteckigen Flachbaus entwerfen Kinder eine Verfassung. „Keiner soll ausgeschlossen werden“, schreibt ein Junge auf eine Karte, „die Hautfarbe darf keine Rolle spielen“, meint ein anderer. Auch dass Tiere geschützt werden müssen, wollen sie aufnehmen. Zuvor haben sie mit dem Lehrer diskutiert, warum Demokratie sinnvoll ist und was dazugehört, damit sie funktioniert.

Nebenan fönt die neunjährige Charlize die schwarze Farbe auf ihrem Bild trocken. Sie will darauf den Weltraum mit Mond und Sternen malen. Bei einem anderen Bild, das das Meer mit Fischen zeigt, hat sie gelernt, wie man die blaue Farbe mit einem Lappen tupft, damit Bewegung auf die Leinwand kommt.

„Zu Hause wäre es viel langweiliger“, sagt ein Junge. Er säße dort wohl am Computer oder vor dem Fernseher. Andere vermissen allerdings genau das und freuen sich aufs Wochenende, wenn die „Sommerschule“ zu hat. In der Stadtvilla gibt’s zwar auch Computer und sobald der Computerfachmann das Haus betritt, ist er umringt von Kindern. Aber die Nutzungszeiten sind sehr eingeschränkt.

Es fällt auf, wie freundlich die Kinder miteinander umgehen. „Ist nicht jeden Sommer so“, sagt eine Mitarbeiterin. Auch diesmal gibt es ein paar Ausnahmen. An den Tischtennisplatten streiten sich zwei Jungen um einen Schläger, der eine tritt nach dem anderen. Eine Erzieherin ist gleich zur Stelle, der Konflikt wird geklärt, die Jungen entschuldigen sich tränenreich beieinander.

Dass die Stimmung so gut ist, liegt auch daran, dass die Workshops am Vormittag von Profis in den jeweiligen Fächern geleitet werden, die mit viel Herz an die Sache gehen. „Eigentlich wollte ich nur mal Vertretung machen“, sagt Künstler Rudolf Stehr. Nun ist er schon seit vielen Jahren dabei. Die Videogruppe schart sich um eine junge Filmemacherin. Ein Mädchen zeigt ihr Aufnahmen, die sie zuvor von den Proben der Theater-AG gemacht hat. Jetzt sollen sie geschnitten werden. Doch der Duft von Essen steigt nach oben, es ist zwölf Uhr. Nur ungern geht das Mädchen nach unten. „Kann ich nicht noch...?“ „Nur noch das eine hier..?“

Der Nachmittag ist frei zum Spielen. Mittwochs macht die gesamte Gruppe einen ganztägigen Ausflug, etwa ins Mitmach-Museum in Prenzlauer Berg.

Die drei Wochen inklusive Mittagessen kosten 75 Euro, ermäßigt 50 Euro. Für die neunjährige Lyn keine Frage: „Das lohnt sich!“. Ihr gefällt es so gut, dass sie dafür 13 Stunden Flug und zweimal Umsteigen in Kauf nimmt: Lyn ist extra aus China angereist, wo sie mit den Eltern lebt. In Berlin besucht sie ihre Oma.

Ab 15. Juli können Kinder montags bis freitags von 11 bis 18 Uhr in die „Stadtvilla Global“ kommen. Es gibt Sport- und Spielangebote. Otto-Wels-Ring 37, Neukölln

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