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1200 dauerkranke Lehrer gibt es in Berlin - und öfter mal Unterrichtsausfall.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schule: 3800 Lehrer arbeiten nicht vor der Klasse

Zahlreiche Lehrer sind in Berlin vom Unterricht freigestellt und übernehmen andere Aufgaben. Die Grünen schlagen nun vor, dafür langzeitkranke Lehrer einzusetzen.

Das finanziell klamme Berlin geizt um jede Lehrerstelle – Anlass für die Grünen nachzufragen, wo all die 2600 Lehrer sind, die nicht für den Unterricht zur Verfügung stehen, weil sie andere Aufgaben wahrnehmen. Die Grünen schlagen jetzt vor, einen Teil dieser Aufgaben an jene Lehrer unter den 1200 Langzeitkranken zu delegieren, die bedingt arbeitsfähig sind. Die frei werdenden Personalmittel sollten der sprachlichen Frühförderung zukommen. Bei Ausgaben von rund 50 000 Euro pro Stelle kosten die 3800 genannten Stellen das Land Berlin rund 200 Millionen Euro pro Jahr.

Dem grünen Haushaltspolitiker Oliver Schruoffeneger ist es erstmals gelungen, von Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke (SPD) konkrete Angaben zum Einsatz der vom Unterricht ganz oder teilweise freigestellten Lehrer zu bekommen: Beispiel „regionale Fortbildung“. Hier geht es um 100 Stellen. Allein zwölf Stellen, also rund 600 000 Euro, stehen für die „Innovation und Moderation“ der Staatlichen Europaschulen zur Verfügung.

Beispiel „Beratungsaufgaben“. Unter diesem Posten, der 80 Stellen umfasst, werden etwa die 40 IT-Betreuer und die 21 Suchtkontaktlehrer verbucht.

Beispiel „Fächeraufsicht“. Hier werden 80 Stellen aufgelistet, darunter auch die 20 Stellen für die Schulinspektionen.

Beispiel „Referendarbetreuung“. Um Berlins 2200 Referendare in ihrem Unterricht zu besuchen und sie in den Fachseminaren zu betreuen und zu unterstützen, werden 120 Lehrerstellen benötigt.

Ein Großteil der 2600 Stellen steckt zudem in den Personalvertretungen, in der Altersermäßigung, aber auch in den Stundenermäßigungen für Klassenleiter und vor allem für Rektoren. Laut Zinke summieren sich alle Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden in Berlin auf rund acht Prozent der gesamten Lehrerstellen und bleiben damit unter den rund zehn Prozent, die bundesweit üblich sind.

Einsparpotenzial sehen die Grünen dennoch in dreifacher Hinsicht: Zum einen gehen sie davon aus, dass die Betreuung der Referendare anders organisiert werden könnte. Insgesamt möchten sie hier jede zweite der 120 Stellen streichen. Die zweite Veränderung könne darin bestehen, dass Aufgaben wie die IT-Betreuung und die Koordination der Suchtprävention in andere Hände gelegt würde. „Das muss kein Lehrer machen“, finden Schruoffeneger und sein Fraktionskollege Özcan Mutlu. Zum Dritten möchten sie Aufgaben wie die Schulinspektion und viele andere Aufgaben an Langzeitkranke übergeben. Die Abgeordneten gehen davon aus, dass rund ein Drittel der 1200 dauerkranken Lehrer in der Lage wäre, außerhalb des Klassenzimmers zu arbeiten. Sie fordern die Bildungsverwaltung deshalb auf, die entsprechenden Aufgaben zu vermitteln.

Die Bildungsverwaltung ist skeptisch. „Ich gehe davon aus, dass Dauerkranke wirklich krank sind“, sagte Sprecherin Beate Stoffers auf Anfrage. Im Übrigen werde im Rahmen von Präventionsgesprächen schon jetzt nachgefragt, wer sich eine Arbeit jenseits des Unterrichtens vorstellen könne. Bisher hätten sich nur 50 der 1200 Dauerkranken dafür gemeldet und nur sieben seien vermittelt worden. Das gelte für Aufgaben inner- und außerhalb der Bildungsverwaltung.

Auch den Vorschlag, 60 Stellen bei der Referendarsausbildung zu streichen, lehnt Stoffers ab: „Durch den Vorschlag der Grünen würde es zu einer deutlichen Verschlechterung der Lehrerausbildung kommen“, lautet ihre Warnung. Susanne Vieth-Entus

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