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Schule: Alle auf einem Floß

Eine Woche Kunst: Schüler der Neuköllner Otto-Hahn-Gesamtschule arbeiteten im Jugendzentrum Schlesische 27 mit Kreuzberger Künstlern.

Es gurgelt und gluckert. Dann wird Tarek ans Ufer der einsamen Insel gespült. Kurz darauf stranden auch Nassrin, Malak und Volkan. Schnell gibt es Streit: „Das ist meine Insel.“ „Du bist unter meinem Niveau.“ „Halt’s Maul.“ „Dämliches Miststück“. Doch schließlich raufen sie sich zusammen und bauen gemeinsam ein Floß aus langen Papprollen. Dazu hört man aus der linken Ecke des großen Raums stampfende Rhythmen. Dort sitzen sechs andere Neuntklässler mit ihren Trommeln, vor ihnen stehen mit Wasser gefüllte Zuber. Mit langen dünnen Rohren haben sie darin vorhin das Geblubber produziert.

Es ist Freitagmittag, Abschluss und Höhepunkt der Projektwoche der Klasse 9.22 der Neuköllner Otto-Hahn-Gesamtschule im Jugendzentrum Schlesische 27 in Kreuzberg. Fünf Tage lang haben die Schüler unter der Anleitung von Künstlern hier gemalt, musiziert und Theater gespielt. Jetzt präsentieren sie die Ergebnisse für ihre Parallelklasse. Einige Jungs mit Baseballkappen auf dem Hinterkopf sind beeindruckt von ihren Mitschülern. „Aber die haben ja auch Herrn Dommermuth als Klassenlehrer“, raunt einer dem Nachbarn zu.

Hans-Jürgen Dommermuth ist es zu verdanken, dass für seine Klasse schon zum zweiten Mal eine Woche Kunst im Jugendzentrum auf dem Stundenplan stand: „Das ist für die Schüler wie ein Sechser im Lotto“, sagt er. Auf die Projektangebote des Zentrums bewerben sich sehr viele Schulen. An der „sportbetonten“ Otto-Hahn-Schule gibt es sonst keine Schulaufführungen, keinen Musiklehrer, auch Kunstunterricht kommt oft zu kurz. „Es ist unglaublich, was die Künstler mit ihrer pädagogischen Arbeit aus den Schülern herauskitzeln.“ Keiner hat in dieser Woche gefehlt, einige sind sogar trotz Krankheit gekommen. Und alle waren pünktlich. Im normalen Schulalltag sei das ganz anders, sagt Dommermuth. „Es ist eine schwierige Klasse.“ Die meisten Schüler kommen aus Migrantenfamilien.

„Einige sind musikalisch sehr begabt, obwohl sie kein Instrument spielen“, sagt Trommellehrer und Musikpädagoge Akinola Famson. Und auch die Schüler mit weniger Rhythmusgefühl seien sehr motiviert gewesen. Die Sache mit der Konzentration und der Ausdauer sei allerdings anfangs „ein bisschen schwierig“ gewesen. „Aber das ist im Lauf der Woche immer besser geworden.“

Die Kunstpädagogen aus dem Jugendzentrum wissen, wie man Jugendliche motiviert: zum Beispiel indem man die Dialoge im Theaterstück improvisiert. „Gut, dass wir die Texte nicht auswendig lernen mussten, dass wäre viel steifer geworden“, sagt die 15-jährige Nassrin. „Ey, du machst dich dreckig – nur zur Info. Mann, wie du aussiehst!“, sagt ihre

Mitschülerin Malak, 15, auf der Bühne. Sie selbst trägt für das Theaterstück ein mit Pailletten besetztes Kopftuch. „Die sieben Todsünden“ hieß die Themenvorgabe, und Malak stellt den Hochmut dar. Busra, 16, hat sich ebenfalls Gedanken darüber gemacht: „Ein Hochmutmensch denkt, dass es nichts gibt auf der Welt, dass er nicht kann.“ Deshalb hat sie ihn auf dem großen bunten Gemeinschaftsrelief, auf dem alle Todsünden vorkommen, mit übergroßem Kopf dargestellt. Daniela Martens

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