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Schulstudie: Gewalt-Umfrage macht Eltern aggressiv

5000 Neuntklässler sollen für eine Studie einen 38-seitigen Fragebogen ausfüllen. Dabei geht es um sensible Daten. Eltern wehren sich, der Streit mit der Innenverwaltung wird schärfer.

Der schwelende Streit zwischen Landeselternausschuss (LEA) und Landeskomission Berlin gegen Gewalt über die Befragung von 5000 Berliner Neuntklässlern durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) droht zu eskalieren. In der Nacht zu Dienstag veröffentlichte Landeselternsprecher Günter Peiritsch ein Schreiben des zuständigen Staatssekretärs in der Innenverwaltung Thomas Härtel an den LEA auf der Homepage des Verbandes. Direkt darunter: eine von Peiritsch bissig kommentierte Version des Schreibens.

Inhalt der Debatte sind vor allem datenschutztechnische und psychologische Bedenken des Elternverbandes gegen die von dem umstrittenen Kriminologen Christian Pfeiffer seit Juni in allen Schulformen durchgeführte und derzeit ausgesetzte Studie. So sieht Peiritsch es als erwiesen an, dass mit dem 38-seitigen Fragebogen zu viele persönliche Daten den Klassenraum verlassen. Neben Alter und Geschlecht werde auch die Klassenbuchnummer der einzelnen Schüler festgehalten, die im Zusammenhang mit einer fein gegliederten regionalen Kennung die Identifizierung allzu leicht möglich mache. Angesichts der heiklen Inhalte der Studie – neben der ethnischen Herkunft werden auch Gewaltbereitschaft und Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch abgefragt – sei dies nicht hinnehmbar.

Vor allem bemängelt der LEA, dass Schülern und Eltern im Vorfeld zu wenig Einsicht in Art und Umfang der Studie gegeben werde. Dass durch die explizite Frageweise bei den Opfern sexueller Gewalt sogar eine erneute Traumatisierung zu befürchten sei und dass andere, die sich mit den Fragebögen einen Scherz erlaubten, bei Missbrauch der Daten als potenzielle Gewalttäter ins Licht der Öffentlichkeit rücken könnten, werde verharmlost und zu wenig kommuniziert. Zum Teil wüssten nicht einmal die Lehrer, wofür genau sie da Unterrichtszeit zur Verfügung stellten. Dass Staatssekretär Härtel in seinem Schreiben für den Fall einer Retraumatisierung auf die Telefonseelsorge verweise, sei, so Peiritsch, ein „Skandal“.

Unklar ist, inwieweit zumindest die datenschutzrechtlichen Bedenken Bestand haben. Sowohl Elternausschuss als auch Landeskommission berufen sich in ihrer Argumentation auf den Berliner Beauftragten für Datenschutz Alexander Dix. Der stellte laut Thomas Härtel noch im Mai fest, dass „einem Beginn Ihrer Befragung aus unserer Sicht nichts entgegensteht“. Laut Peiritsch sei Dix aber erst zum jetzigen Zeitpunkt in Gänze „in diese Diskussion involviert“ und halte nun – so das Ergebnis eines Gesprächs – eine Verbesserung für angebracht.

„Wir stehen mit dem Datenschutzbeauftragten in engem Austausch“, kontert die Innenverwaltung. Anders als von der LEA kolportiert, würden Dix alle relevanten Daten zur Verfügung gestellt und die Ergebnisse seiner Prüfung abgewartet, so eine Sprecherin. Von Dix’ Votum hängt dann auch ab, ob die im Zweifelsfall zuständige Schulverwaltung die Studie neu genehmigen muss. Das ist aber nur bei gravierenden Änderungen im Design der Studie der Fall. Alexander Dix selbst möchte sich erst am heutigen Mittwoch äußern. jos

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