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An einem Prozent der öffentlichen Schulen soll die umstrittene Software eingesetzt werden.

© Thilo Rückeis

Überwachungssoftware geplant: "Schultrojaner" schreckt Lehrer auf

Eine Software soll erkennen, wenn es sich bei Unterrichtsmaterial an Schulen um Raubkopien handelt. Die Lehrergewerkschaft ist empört. Die Verlage zeigen sich verwundert ob der Aufregung, die Berliner Verwaltung überrascht.

An Schulcomputern soll demnächst offenbar eine Software eingesetzt werden dürfen, mit der Raubkopien und Plagiate entdeckt werden können. Bei diesen unerlaubten Kopien kann es sich beispielsweise um eingescannte Schulbuchseiten handeln. Bereits am 21. Dezember 2010 haben die Bundesländer mit den Schulbuchverlagen und Medienverwertungsgesellschaften einen Vertrag geschlossen, der das Urheberrecht und die Vergütung von Unterrichtsmaterialien und Schulbuchtexten regeln soll. Publik wurden die Pläne jetzt durch einen Bericht auf der Webseite Netzpolitik.org, die der Software den griffigen Namen "Schultrojaner" gab.

In dem "Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG" heißt es in Paragraph 6, Absatz 4:

"Die Verlage stellen den Schulaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung, mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können."

Auf mindestens einem Prozent der öffentlichen Schulen soll die Software eingesetzt werden, im zweiten Schulhalbjahr 2011/12 könnte es bereits losgehen. Die Software soll dann Inhalte auf dem Schulserver mit Textbausteinen aus Schulbüchern vergleichen, heißt es in einer Erklärung des Verbandes der Schulbuchverlage und Hersteller von Bildungsmedien (VdS Bildungsmedien). Der Begriff "Trojaner" sei irreführend, sagte Verbandssprecher Christoph Bornhorn dem Tagesspiegel. Es handele sich nicht um eine heimliche Überwachung, die Schulen seien bereits über den Einsatz der Software informiert.

Die Software soll dann in Schulintranets, nicht aber in E-Mails oder geschützten Bereichen wie den "Eigenen Dateien" nach Urheberrechtsverstößen fahnden. Nicht erlaubt ist es beispielsweise, wenn Lehrer Schulbuchseiten einscannen. Entdeckt die Software solche unerlaubten digitalen Kopien, kann es "disziplinarische Maßnahmen" gegen Schulleiter und Lehrkräfte geben. Das entscheiden aber die Schulträger, die Verlage bekommen nur anonymisierte Auswertungen des Softwareeinsatzes, sagte Bornhorn.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält den Einsatz der Software mitbestimmungsrechtlich für fragwürdig. „Wir sind von dem geplanten Einsatz eines Schultrojaners überrascht – 'Trojaner' haben an Schulen nichts zu suchen. Damit würden die Lehrkräfte gezielt einer Ausforschung im Interesse Dritter ausgesetzt", erklärte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne. Personal- und Betriebsräte müssten in die Entscheidung einbezogen werden.

Nach Angaben der Berliner Bildungsverwaltung soll dies noch passieren. "Die Software steht ja noch gar nicht zur Verfügung", sagte Sprecherin Beate Stoffers. So bald diese von den Verlagen entwickelt sei und den Behörden vorliege, würde sie arbeits- und dienstrechtlich genau geprüft - auch im Hinblick auf den Datenschutz und Mitbestimmung.

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