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Berlin: Zwei Sozialdemokraten auf Integrationskurs

SPD-Fraktionschef Saleh und Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky besuchen gemeinsam Rotterdam.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein ungleiches Paar, unterwegs in Rotterdam. Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte die Idee, gemeinsam mit dem Neuköllner Bürgermeister und Parteifreund Heinz Buschkowsky die niederländische Hafenmetropole zu besuchen. Die Reise wurde seit Oktober diskret vorbereitet, ohne Einbeziehung des SPD-Fraktionsvorstands. So ließen sich innerparteiliche Konflikte vorab vermeiden, denn Buschkowsky spaltet immer noch den SPD-Landesverband in Freund und Feind. Und das Thema des zweitägigen Besuchs, der am Montag begann, ist heikel: Integrationspolitik in den großen Städten Europas.

Buschkowsky schrieb darüber sogar ein Buch, „Neukölln ist überall“, das von linken Genossen in der Luft zerrissen wurde. Der Chef der SPD-Arbeitsgruppe „Migration“, Aziz Bozkurt, warf dem Autor „rassistische Gedankengänge“ vor, er schüre diffuse Ängste vor vermeintlich Fremden. Dass der Migrant Saleh, ein Exponent der Parteilinken, jetzt mit Buschkowsky den ethnischen Schmelztiegel Rotterdam aufsucht, wurde von Bozkurt allerdings nicht kommentiert, er ist in Urlaub. Stattdessen fand sein Stellvertreter, Serge Embacher, am Montag überraschend versöhnliche Töne. Die gemeinsame Reise sei grundsätzlich sinnvoll „und vielleicht sogar der Beginn einer neuen innerparteilichen Diskussionskultur“. Denn es sei besser, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden.

Das sieht Fritz Felgentreu, Chef des SPD-Kreisverbands Neukölln und Sprecher der Parteirechten, ganz ähnlich. „Ich freue mich, denn die gemeinsame Reise zeigt, dass die ideologischen Gräben in der Berliner SPD nicht mehr so tief sind wie früher.“ Felgentreu lobte Saleh ausdrücklich: „Er hat, wie Buschkowsky, ein unverstelltes Interesse daran, die Integrationsprobleme zu benennen und zu lösen.“ Als der Neuköllner Bürgermeister im Sommer 2008 erstmals Rotterdam besuchte, erlaubte ihm die damalige SPD-Fraktionsführung nicht, vor den Abgeordneten über seine Reise zu berichten. Das wird heute flügelübergreifend als ein Fehler angesehen. „Auch wenn es Buschkowsky einem nicht leicht macht, mit ihm auszukommen“, sagte Embacher.

Am Montag schauten sich Saleh und Buschkowsky Kinder- und Jugendprojekte in sozial schwierigen Quartieren der niederländischen Industriestadt an. Am frühen Abend wurden sie dann vom Rotterdamer Bürgermeister Ahmed Aboutaleb (Arbeiterpartei) empfangen. Ein arabischer Migrant, so wie Saleh, wenn auch nicht aus Palästina, sondern aus Marokko. Er ist seit Anfang 2009 das erste muslimische Stadtoberhaupt einer westeuropäischen Metropole. Ein Vorbild für den ehrgeizigen SPD-Fraktionschef Saleh?, fragen nun einige Genossen und können sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Sollte es in absehbarer Zeit in Westeuropa einen zweiten muslimischen Bürgermeister geben?

Nein, davon will Saleh nichts hören. Ihm geht es immer nur um eine gute Politik für die Menschen. „Ich möchte mir einen Eindruck verschaffen, wie Aufstieg, Bildung und Integration in anderen Städten Europas organisiert werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Rotterdamer Stadtverwaltung gehe es um aufsuchende Sozialarbeit, klare Grenzsetzungen und enge Zusammenarbeit der beteiligten Behörden. „Manches sehe ich kritisch, aber vom Engagement und den vernetzten Strukturen kann man lernen.“ Und was verbindet Saleh bei diesem Thema mit Buschkowsky? „Der Glaube an den sozialen Aufstieg für alle Berliner.“

Der SPD-Landeschef und Sprecher der Parteilinken, Jan Stöß, brach am Montag zwar nicht in Jubel aus. Aber wenn von der Reise der beiden „wichtigen Sozialdemokraten“ Impulse für eine stärkere Förderung und bessere Bildung in sozialen Brennpunkten ausgingen, „dann begrüße ich das“. Ulrich Zawatka-Gerlach

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