zum Hauptinhalt
Hunderte angestellte Lehrer gingen am Montag und Dienstag in Berlin auf die Straße. Mit Trommeln und Pfeifen schafften sie sich vor den Senatsverwaltungen für Finanzen und Inneres Gehör.

© Christian Mang

Update

"Streik- und Aktionswoche" geht in die zweite Runde: Angestellte Lehrer bestreiken Berliner Grundschulen

Auch am Dienstag ruft die Lehrergewerkschaft GEW die angestellten Lehrer Berlins zum Streik auf. Nachdem gestern die Gymnasien, Oberstufenzentren und Sekundarschulen bestreikt wurden, sind heute die Grundschulen dran - wo wichtige zentrale Vergleichsprüfungen stattfinden.

Eine faire Entlohnung, Gleichberechtigung und "altersgerechte" Arbeitsbedingungen - das ist es, was die angestellten Lehrer in Berlin seit Wochen fordern. Man könnte auch sagen, sie wollen schlicht genauso behandelt werden wie ihre verbeamteten Kollegen, die mitunter deutlich höhere Nettoentgelte und andere Vergünstigungen erhalten. Dafür gehen sie auf die Straße - eine Woche lang.

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, kurz GEW, hatte zu einer "Streik- und Aktionswoche" vom 13. bis 17 Mai aufgerufen. Nachdem am Montag die Gymnasien, Oberstufenzentren und Sekundarschulen bestreikt wurden, sind am heutigen Dienstag die Grundschulen dran - wo heute die zentralen Vergleichsarbeiten der Drittklässler stattfinden. Die streikenden Lehrer hatten am Dienstag früh abermals ein so genanntes "Streikcamp" aufgebaut, an dem sich nach GEW-Angaben rund 500 Lehrer beteiligten. Gegen 11:30 Uhr sprach der GEW-Bundesvorsitzende Ulrich Thöne, der früher auch Berlins GEW-Vorsitzender gewesen war. Auch eine Lehrkraft aus Dänemark kam zu Wort. "Für 15 Uhr haben wir einen Vortrag zum Thema "Senatsinspektion" angesetzt", so Tom Erdmann. Dabei handelt es sich um eine Initiative von GEW und "Bildet Berlin", die - nach dem Vorbild der Schulinspektion - evaluieren soll, ob der Berliner Senat die im Koalitionsvertrag vereinbarten schulpolitischen Beschlüsse umgesetzt hat.

Rund 60 Grundschulen beteiligen sich am Streik

Die GEW-Vorsitzende Doreen Siebernik verlas am Dienstag - wie schon am Montag - die Namen der Schulen, von denen Streikende zur Kundgebung gekommen waren. Es waren wiederum fast ausschließlich Schulen aus den West-Bezirken. Siebernik wusste von rund 60 Schulen, die vertreten waren. Insgesamt gibt es in Berlin rund 350 öffentliche Grundschulen. Der Tagesspiegel hatte am Morgen in einigen Schulen in Prenzlauer Berg herumgefragt und überwiegend die Auskunft erhalten, dass kein Lehrer streike. Das galt etwa für die Schule am Senefelder Platz in Prenzlauer Berg. Im Kollegium sei nicht einmal über die Möglichkeit eines diskutiert worden, hieß es im Sekretariat. Ein Grund dafür könnte sein, dass an der Grundschule fast alle Lehrer verbeamtet sind. Die Grundschule am Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg verweigerte zum Thema Streik jede Auskunft.

An der Heinrich-Zille-Grundschule in Kreuzberg sind ebenfalls kaum angestellte Kollegen beschäftigt. Hier streikten daher nur vier Kollegen. Zu Unterrichtsausfällen kam es laut Schulleiterin Inge Hirschmann nur vereinzelt, die Vergleichsarbeiten Vera 3 waren gar nicht betroffen. Am Donnerstag wird ebenfalls gestreikt, denn auch diesen Tag hat die GEW als Schwerpunkttag für die Grundschulen festgelegt.

An der Johann-Peter-Hebel-Schule in Wilmersdorf wird an beiden Tagen nicht gestreikt - und das, obwohl etwa die Hälfte der Lehrer angestellt und damit zum Streik aufgerufen sind. Sogar die Schulleiterin ist nicht verbeamtet. „Wir erachten die Ziele des Streiks zwar als richtig. Aber wir können es uns zeitlich einfach nicht leisten, zu streiken“, erklärte Rektorin Domenica Acri. Der Zeitpunkt sei von der GEW schlecht gewählt, weil es insbesondere vor den Ferien noch viel zu erledigen gäbe, so Acri. Unter anderem muss entschieden werden, wer in der Schulanfangsphase verweilt und wer nicht. „Den Kindern zuliebe streiken wir daher nicht“, so Acri. Als Schulleiterin findet sie es besonders bedauerlich, dass in den Lehrerzimmern die Ungleichbehandlung langfristig fortbestehe, weil immer wieder junge verbeamtete Pädagoginnen aus anderen Bundesländern hinzukämen.

Auch an der Halensee-Grundschule in Wilmersdorf wird nicht gestreikt – zumindest heute nicht. Am Donnerstag hingegen, dem zweiten Tag, an dem Berlins Grundschulen bestreikt werden, wollen die angestellten Lehrer der Halensee-Grundschule für ihre Gleichberechtigung auf die Straße gehen.

"Wir fühlen uns nicht geschützt und nicht wertgeschätzt."

Etliche Streikende kamen von der 1. Gemeinschaftsschule Wilmersdorf. Sie saßen am Ende der Kundgebung auf dem Rasen am Molkenmarkt und bekräftigten die GEW-Kritik am Status quo. Eine Sonderpädagogin bemängelt insbesondere, dass sie als Angestellte auf die Dauer wesentlich weniger verdiene als die Beamten, ohne aber die Vorteile eines vermeintlich freieren Angestellenverhältnisses zu erleben. Stattdessen fühle sie sie "fremdbestimmt", da sie sich ihre Schule nicht selbst aussuchen könne, sondern "zugewiesen" werde. Außerdem werde die Arbeit immer schwerer, da beispielsweise Jugendprojekte wegbrächen. "Die Kinder werden immer haltloser", ist ihr Eindruck.

"Viele von uns wären längst weg, wenn wir die Zulage nicht bekommen würden", ergänzte ihre 32-jährige Kollegin, eine Grundschullehrerin. Eine weitere Kollegin erinnerte daran, dass viele von ihnen jahrelang auf einen Referendariats gewartet hätten. "Man fühlt sich in Berlin nicht geschützt und nicht wertgeschätzt". Wenn man dann krank werde, könne man noch nicht einmal auf die volle Lohnfortzahlung setzen, die den Beamten zuteil werde.

Viele der Lehrkräfte auf dem Molkenmarkt waren entschlossen, auch am Freitag zu streiken, wenn Lehrer aller Schulformen aufgerufen sind. An dem Tag will die GEW den Senat mit besonderen Aktionen "überraschen". Am Mittwoch sind aber zunächst nochmals die Gymnasien, Oberstufenzentren und Sekundarschulen dran und am Donnerstag die Grundschulen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false