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Jürgen Müller ist seit 1986 Lehrer an der Gustav-Heinemann-Schule.

© Kitty Kleist-Heinrich

Theaterlehrer Jürgen Müller: Der gute Mensch vom Reuterkiez

50 Theaterstücke hat Lehrer Jürgen Müller an der Gustav-Heinemann-Schule bereits inszeniert. Zur Premiere seiner jüngsten Regiearbeit feierte die Schule in Marienfelde den ungewöhnlichen Pädagogen.

Wenn bei der Aufführung einer Schülertheatertruppe der Regierende Bürgermeister eine Rede hält und mit Pädagogikprofessor Ulrich-Johannes Kledzik, dem langjährigen Oberschulrat Hans-Wolfgang Kendzia und dem ehemaligen Tempelhofer Stadtrat Nils Ferberg die alte Garde der Gesamtschulveteranen erscheint, wenn Schauspieler Lars Eidinger ein Grußwort schickt und zum Schluss ein 15-minütiges Feuerwerk den Nachthimmel über der Gustav-Heinemann- Schule in Marienfelde erhellt, dann kann man davon ausgehen, dass diese Interpretation des Bertolt-Brecht- Stücks „Der gute Mensch von Sezuan“ etwas Besonderes war. Und das lag nicht nur an den Schülern der 13. Klasse, die die Parabel trotz Abistresses mitreißend und mit viel Herzblut auf die Bühne brachten. Sondern es lag in erster Linie an dem Mann, den Klaus Wowereit in seiner Rede augenzwinkernd als „einen von diesen Verrückten“ bezeichnete, die Schüler aus dem Unterricht holten, um mit ihnen Theater zu spielen — zu einer Zeit, in den Achtzigern, als dies viele unerhört fanden.

Jürgen Müller heißt dieser besondere Lehrer, zu dessen Ehren das Spektakel am Freitagabend stattfand. Denn es war die 50. Inszenierung, die der 57-Jährige mit Schülern erarbeitet hat. Seit über 25 Jahren unterrichtet er an der Gustav-Heinemann-Schule und hat dort den Fachbereich Darstellendes Spiel aufgebaut.

Dabei sah es damals, 1985, nicht so aus, als ob Müller überhaupt Lehrer werden könnte. Nach seinem Referendariat an der Gustav-Heinemann-Schule galt in Berlin Einstellungsstopp für Lehrer. Müller packte seine Sachen und arbeitete als Animateur in einem Robinson-Club auf Fuerteventura. Doch die Schüler ließen den jungen Lehrer nicht so einfach ziehen. Mit 750 Unterschriften im Gepäck erschien eine Schülergruppe im Büro von Klaus Wowereit, damals Volksbildungsstadtrat in Tempelhof, und forderte die Einstellung Müllers. „Und dann habe ich das eben gemacht“, erzählt Wowereit schmunzelnd. Auch er hatte wohl erkannt, um was für einen talentierten Pädagogen es ging.

„Der gute Mensch vom Reuterkiez“, so nennt ihn sein ehemalige Schulleiter Karl Pentzliehn. Dort, in Neukölln, wohnt Müller und will von einem Rummel um seine Person gar nichts wissen. „Es geht mir um die Schüler“, sagt er. Über das, was er auf die Beine gestellt hat – die vielen Inszenierungen, die auch im Ausland für Aufsehen sorgten, die zahlreichen Schüleraustauschfahrten, die er in den Sommerferien organisierte, oder darüber, dass Schauspieler wie Lars Eidinger und Tobias Wollschläger zu seinen ehemaligen Schülern zählen, spricht er nicht so gern. Viel lieber erzählt er, wie bereichernd es sei, die Entwicklung eines Schülers begleiten zu können. „Wenn ich sehe, wie die Jugendlichen aufblühen, von schüchternen Mauerblümchen zu selbstbewussten Darstellern werden, dann macht mich das glücklich“, sagt er. Er spricht von Vertrauen und Zuneigung, die das Verhältnis zu seinen Schülern prägen. Das beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. Als Müller 2003 schwer erkrankte, organisierten seine Schüler einen täglichen Besuch am Krankenbett und ließen sich selbst von einer „Schwester Rabiata“ auf der Intensivstation nicht aufhalten. Sylvia Vogt

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