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Thomas-Mann-Schule: Eine der ersten Gesamtschulen wird jetzt lieber Gymnasium

Die Thomas-Mann-Schule in Reinickendorf gehörte einst zu den ersten Gesamtschulen Berlins. Dass sie nun Gymnasium werden soll, finden nicht alle Beteiligten gut. Sogar von "Verrat" ist die Rede.

Die Empörung konnte größer nicht sein: „Ein unfassbarer Untergang“ titelte die blz, die Mitgliederzeitschrift der GEW, nachdem feststand, dass eine der ältesten Gesamtschulen der Stadt, die Reinickendorfer Thomas-Mann-Schule, Gymnasium werden sollte. Auf drei Seiten der Februarausgabe beschrieb der langjährige Lehrer Eckhard Rieke, was diese „Katastrophe“ für ihn bedeutete, nämlich nicht weniger als den Verlust eines „Ortes der Hoffnung“. Was war geschehen?

Reinickendorfs CDU-Bildungsstadträtin Katrin Schultze-Berndt hatte sich entschlossen, der großen Nachfrage nach Gymnasialplätzen in ihrem Bezirk durch Umwidmung einer Gesamtschule zu entsprechen. Ausgerechnet bei der Thomas- Mann-Schule, die gerade erst ihr 40-jähriges Bestehen als Gesamtschule gefeiert hatte, fand sie Gehör: Mit großer Mehrheit stimmte das Kollegium „für den Verrat“, wie es manche nennen.

„Es hat nahezu persönliche Freundschaften gekostet“, beschreibt Schulleiter Reinhard Piekarski die Zeit danach. Dennoch bereue er den Schritt nicht, für den er viele Gründe nennt. Da sei zum Beispiel die Erfahrung, dass die emotional-sozial gestörten Schüler „immer mehr Probleme machen“. Und dann seien da noch die „Unwilligen“. Künftig sei es ja nicht mehr möglich, sie an Hauptschulen abzugeben. „Ich bin eigentlich für gemeinsames Unterrichten, aber wenn die Lernschwachen dominieren, leiden die Lernstarken“, bündelt Piekarski seine Bedenken. Zudem hegt er die Hoffnung, dass es für das Märkische Viertel eine „positive Wirkung“ haben werde, wenn es dort ein Gymnasium gebe. Die Umwandlung sei ein „Strohhalm“ für all jene, die sich von schwierigen Schülern überfordert fühlten, beschreibt ein Kritiker des Beschlusses den Hauptbeweggrund seiner Kollegen. Inzwischen seien einige aber schon ernüchtert angesichts der wenigen Anmeldungen, die es gegeben habe. Hingegen betont Piekarski, dass man nicht ernsthaft mit mehr Bewerbern habe rechnen können, da die Entscheidung zur Umwandlung erst sehr spät gefallen sei und wenig bekannt war. Piekarski geht davon aus, dass ihm genügend Schüler von den überfüllten Gymnasien „zugewiesen“ werden. Viel mehr treibt ihn eine andere Frage um: Was wird aus dem Ganztagsbetrieb, der ihm als Gymnasium nicht zusteht? Piekarski kann sich gar nicht vorstellen, dass er seine Schüler künftig nach dem Unterricht nach Hause schicken soll. Darauf aber wird es hinauslaufen.

Dass die Umwandlung einer Gesamtschule zu einem Gymnasium auch ganz unaufgeregt verlaufen kann, zeigt das Beispiel der Robert-Havemann-Schule in Buch. Hier war der Weg schon lange vorher geebnet worden, weil die Schule seit Jahren sogenannte Leistungsklassen hat. Schon 2008 fiel die Richtungsentscheidung für ein Gymnasium, 2009 wurden bereits einige Gymnasialklassen aufgenommen, obwohl die offizielle Umwidmung erst jetzt erfolgt. Im Ergebnis kann die Schule „aus eigener Kraft“ fünf siebte Klassen einrichten, wobei 85 Prozent der Schüler eine Gymnasialempfehlung haben, wie Schulleiter Thomas Josiger freudig berichtet.

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