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Unterrichtsstunden: Mehr Zeit bis zur nächsten Pause

Viele Schulen setzen auf flexible Unterrichtszeiten statt starrer 45-Minuten-Einheiten. Lehrer und Schüler sehen Vorteile.

Die klassische Schulstunde mit 45 Minuten ist ein Auslaufmodell. Immer mehr Schulen gestalten die Unterrichtszeiten flexibel. Stunden von 60 Minuten oder Unterricht in 90-Minuten-Blöcken sind keine Seltenheit mehr. Schüler, Lehrer und Bildungspolitiker verschiedener Parteien finden das durchaus sinnvoll. Die Berliner Schulverordnung orientiert sich zwar nach wie vor am 45-Minuten-Takt, über abweichende Modelle kann aber die jeweilige Schulkonferenz entscheiden.

„Wir arbeiten mehr in Projekten und mit mehr Präsentationen im Unterricht“, sagt Fridolin Glatter, „der Unterricht ist insgesamt lebendiger“. Der 14-Jährige besucht die 9. Klasse im Barnim-Gymnasium in Hohenschönhausen, wo der Unterricht von der 5. bis zur 12. Klasse seit zwei Jahren in 90-minütige Doppelstunden aufgeteilt ist. Bevor der 90-Minuten-Takt eingeführt wurde, haben die Schüler darüber abgestimmt. Die Mehrheit war dafür.

Fächer, die drei Stunden in der Woche gelehrt werden, finden wochenweise abwechselnd mal in zwei Blöcken à 90 Minuten, mal in einem Block à 90 Minuten statt. Der Unterricht in längeren Unterrichtsblöcken hat auch ganz praktische Vorteile, sagt Fridolin Glatter. „Man muss nicht so viele Bücher mitschleppen und sich nicht auf so viele unterschiedliche Fächer für den nächsten Tag vorbereiten.“ Der Musik- und Kunstunterricht, der jeweils nur einmal pro Woche in der Stundentafel vorgesehen ist, wird am Barnim-Gymnasium in 45-Minuten-Stunden unterrichtet. Sonst würden immer gleich zwei Wochen zwischen den Unterrichtseinheiten liegen.

Auch für die Lehrer ist es einfacher, mit längeren Blöcken zu arbeiten, sagt Mieke Senftleben, FDP-Bildungspolitikerin und Lehrerin an einer Neuköllner Sekundarschule. Alle 45 Minuten die Klasse zu wechseln, sei sehr mühsam. Auch könne man die Schüler in 90 Minuten besser individuell fördern. Senftlebens Fazit: Die Schulen sollen selbst entscheiden können, wie lang sie ihre Unterrichtseinheiten gestalten wollen. Das entspreche auch dem Prinzip der Eigenverantwortung, das im Schulgesetz verankert ist.

„Es ist längst überfällig, dass man sich von der Fixierung auf die 45 Minuten verabschiedet“, sagt auch Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Die Dreiviertelstunde entspreche nicht dem Biorhythmus der Schüler. Bis sich die Schüler in den Unterricht eingefunden hätten, sei er schon wieder fast zu Ende. Auch Mutlus Fazit ist: Die Entscheidung sollte jede Schule selbst fällen.

Dass eine Schulstunde nicht 60, sondern nur 45 Minuten lang sein soll, stammt aus Preußen und wurde 1911 festgelegt. Die Schüler könnten sich nachmittags nicht mehr konzentrieren, deshalb sollte der ganze Stoff auf die Vormittagsstunden verlegt und in Häppchen aufgeteilt werden, argumentierten die preußischen Schulpolitiker. Auch heute fällt es vielen Schülern nicht immer leicht, sich zu konzentrieren. Wären 60- oder 90-minütige Einheiten nicht zu viel?

Im Gegenteil, sagt CDU-Bildungsexpertin Hildegard Bentele. Gerade für Klassen, in denen es schwierig ist, Ruhe hineinzubringen, eigne sich der Unterricht in längeren Blöcken. Denn bei 45 Minuten bleibe bei unruhigen Klassen manchmal wenig Zeit für den eigentlichen Unterrichtsstoff. Auch Bentele plädiert für eine Flexibilisierung der Schulverordnung, was die Unterrichtslänge angeht. „Da können sich die Fraktionen im Abgeordnetenhaus sicherlich schnell einigen“, vermutet die CDU-Politikerin.

Auch die Lehrergewerkschaft GEW sieht in längeren Unterrichtseinheiten Vorteile: Im Blockunterricht sei es eher möglich, mit Schülern Lernmethoden zu trainieren und sie zu mehr Selbständigkeit zu erziehen. Auch sei es für Lehrer einfacher, wenn sie sich konzentrierter auf weniger Schülergruppen für den nächsten Tag vorbereiten müssten.

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