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Schule: Viele Köche verderben den Brei

Bezirke, Eltern, Rektoren: Alle reden mit beim Schulessen. Der Qualität kommt das nicht unbedingt zugute

Die Erstklässlerin piekst ihre Gabel in eine Kartoffel, schiebt sie durch die gelbgrüne Soße und führt den Bissen zum Mund. „Die Soße ist sehr scharf, und die Kartoffeln schmecken mir nicht“, sagt sie. Das hartgekochte Ei hat sie gar nicht erst angerührt. Ihre Klassenkameradin schüttet gerade die Nudelsuppe weg: „Sie schmeckt viel zu salzig.“

Ähnliche Szenen kann man an der Bernhard-Grzimek-Grundschule in Lichtenberg fast täglich beobachten: Eltern, Schüler und die Pädagogen sind dort schon seit Jahren unzufrieden mit ihrem Caterer. „Viele Kinder essen hier überhaupt nicht mehr“, sagt die Elternsprecherin Manuela Schiller.

Dabei sind die Tage sehr lang an Berlins Ganztagsgrundschulen. Viele Kinder bleiben bis 18 Uhr. Damit die Kinder das durchhalten, steht laut Senatsbildungsverwaltung an allen Grundschulen „eine Essensversorgung für außerunterrichtlich betreute Schüler zur Verfügung“.

Trotzdem gehören Probleme mit der Essensqualität an vielen Berliner Grundschulen zum Alltag. Dabei gibt es für das Schulessen längst Qualitätskriterien – die in Berlin entwickelt und inzwischen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung übernommen wurden. Die Kriterien sehen unter anderem vor, dass mindestens zehn Prozent der Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft stammen müssen, und keine Light-Produkte, Geschmacksverstärker, künstliche Farb- sowie synthetische Konservierungsstoffe verwendet werden sollen.

Verpflichtend sind die Kriterien allerdings nicht. „In Berlin obliegt die Verantwortung für das Mittagsangebot an den Grundschulen den Schulträgern“, sagt Michael Jäger von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung – einem Verein, der Schulen bei der Essensqualität berät. Die DGE-Kriterien seien ein Empfehlungs- und Orientierungsrahmen. „Die letztliche Entscheidung darüber, in welchem Umfang oder mit welchen Ergänzungen diese Standards integriert werden, liegt bei den Schulträgern.“

Das Essen an Berlins Grundschulen wird subventioniert (siehe Kasten). Während die Eltern an den Schulen mit verpflichtendem Ganztagsbetrieb privatrechtliche Verträge mit den Caterern schließen, werden an den Grundschulen mit freiwilligem Nachmittagsprogramm die Verträge zwischen den Caterern und den Schulträgern – also meist den Bezirksämtern – geschlossen. Die Schulen sind also formal gesehen gar keine Vertragspartner. Laut Schulgesetz soll die Schulkonferenz „zur Ausgestaltung des Essenangebots“ zwar angehört werden, die tatsächliche Beteiligung wird in den Bezirken allerdings unterschiedlich gestaltet.

So kritisiert der Ernährungsexperte Michael Polster vom Deutschen Netzwerk Schulverpflegung zum Beispiel, dass Lichtenberger Grundschulen nur durch eine Blindverkostung auf die Auswahl des Caterers Einfluss nehmen können. Bei dieser Blindverkostung erfahren die Teilnehmer am Probeessen nicht, welcher Anbieter das jeweilige Essen gekocht hat. „Dadurch können individuelle Wünsche einzelner Schulen nicht berücksichtigt werden“, sagt Michael Polster. Schulen, die gute Erfahrungen mit einem Caterer machen, können diesen nicht einfach weiter engagieren. Oder, wie die Grzimek-Schule, nicht einfach den Caterer wechseln.

„Bei diesen Probeessen ist die Qualität eine andere als in der täglichen Praxis“, sagt Manuela Schiller. Das Bezirksamt hat für die Grzimek-Schule inzwischen einen neuen Vertrag mit dem kritisierten Caterer Sodexo geschlossen – nach einer vorgeschriebenen europaweiten Ausschreibung. Aus dem Bezirksamt heißt es, man habe das Schulessen an der Grzimek-Schule auch in unangekündigten Qualitätskontrollen überprüft und dabei keine Mängel entdeckt. „Aber wenn die Kinder die Mahlzeiten nicht essen, ist das doch auch eine Verschwendung von Steuergeldern“, findet Manuela Schiller. 1,97Euro kostet das Essen am Tag. Sodexo hat gegenüber dem Tagesspiegel angekündigt, „der Angelegenheit vor Ort noch mal nachzugehen, um eventuelle Unzufriedenheiten zu klären und eine Lösung zu finden“.

In Pankow haben sich Eltern vor zwei Jahren gegen eine Neuausschreibung der Caterer-Verträge gewehrt, bei der im Unterschied zu früheren Jahren „aus verwaltungstechnischen Gründen“ das Schulvotum nicht mehr berücksichtigt werden sollte. Daraufhin befürchtete zum Beispiel die Schule im Blumenviertel, erneut jenen Caterer zu bekommen, mit dem sie bereits Probleme hatte. „Engagierte Eltern haben deshalb das Schulessen an mehreren Standorten verkostet“, sagt Erika Takano-Forck von der AG Schulessen des BEA Pankow. Die Eltern bemerkten bei ähnlichen Preisen große Qualitätsunterschiede. Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss deshalb, dass die Eltern auch weiterhin vom Schulamt zum Thema gehört werden sollten. In der Folge setzten alle Schulen Verkostungsjurys für die Auswahl ein. „Man muss immer dranbleiben“, bilanziert Erika Takano-Forck.

So hat etwa die Rixdorfer Grundschule in Neukölln ihren Caterer nach Ablauf des Vertrags gewechselt, ebenso die Erika- Mann-Grundschule in Wedding. „Das Essen mag nahrhaft gewesen sein, aber es hat den Kinder nicht geschmeckt“, sagt Rektorin Karin Babbe. Heute essen ihre Schüler gerne – für 1,90 Euro. Der Caterer Sunshine bietet frisches Essen, das schmeckt und appetitlich aussieht.

Doch auch jenseits der Essensqualität gibt es an vielen Berliner Grundschulen Probleme mit dem Mensabetrieb: Denn trotz der Millionen Euro, die inzwischen in Schulmensen und Küchen geflossen sind, ist längst nicht jeder Raum für einen effizienten Ganztagsbetrieb geeignet:

An der Mark-Twain-Grundschule in Reinickendorf etwa bräuchten die Schüler eigentlich mehr Platz. Damit alle Schüler zwischen 11.30 Uhr und 14.30 Uhr essen können, hat jede Gruppe nur eine halbe Stunde Zeit. Zu wenig Raum hat auch die Mensa der Zehlendorfer Nordgrundschule. Und in der Mensa der Bornholmer Grundschule in Prenzlauer Berg hat Schulleiter Jochen Fuchs die große Pause in zwei 25-minütige Pausen geteilt: damit die Kinder nicht mehr so lange auf ihr Essen warten müssen.

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