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Schule: Volvos Eins-a-Personenschützer

Wer nach all den Mankell-Krimis Angst vor Südschweden hat, sollte mit einem Wohlfühlauto hinfahren – dem gelifteten S 80

Kurt Wallander ist nicht zu Haus. Die Person, die schemenhaft hinter einem Fenster in der Mariagatan im südschwedischen Ystad steht, ist auf keinen Fall der übergewichtige Kommissar. Dafür steht in der schmalen Straße, in der der weltberühmte Polizist zumindest in den Romanen von Henning Mankell lebt, statt des nahezu schrottreifen Peugeot des Detektivs ein brandneuer Volvo. Der ist auch der Grund für die misstrauischen Blicke aus dem Fenster des ziemlich tristen Wohnblocks aus graubraunen Backsteinen, dessen Balkone weitgehend ihre blaue Farbe verloren haben. Da muss was faul sein – macht sich der Fahrer doch verdächtig an dem luxuriösen Wagen zu schaffen und öffnet immer wieder den Kofferraum oder die Motorhaube.

Scandinavian Luxury: Mit dieser stolzen Formel vermarktet Volvo dagegen den runderneuerten Volvo S 80. Die Limousine mit den markanten Rücklichtern wird zusätzlich mit technischer Prosa aufgewertet. Doch dass das sanft geschwungene Armaturenbrett an eine südschwedische Schneelandschaft erinnern soll, darauf käme möglicherweise der Detektiv Wallander, kaum aber ein gewöhnlicher Autofahrer. Dabei hat der Wagen derlei Werbelyrik gar nicht nötig. Den Autofahrer überzeugen vor allem die inneren Werte. Und davon bietet der Wagen jede Menge. Der Innenraum überzeugt mit klarer Optik und zwei auf den ersten Blick nahezu spartanisch ausschauenden Rundinstrumenten. Der Wagen ist voll gestopft mit vielen guten Ideen. Dazu gehört etwa ein radargesteuertes Abstandswarnsystem, das bei kritischen Annäherungen dem Fahrer einen roten Warnbalken auf die Windschutzscheibe einspiegelt, sowie den Hydraulikdruck für eine bevorstehende Notbremsung erhöht. Intuitive Intelligenz – so heißt das im verquasten Werbesprech.

Die Lenkungsdämpfung ist per Knopfdruck dreistufig einstellbar – vom komfortablen Cruisen bis zur straffen Sportvariante, die sich gerade bei schnellen Fahrten bewährt. Als Neuheit hat Volvo auch einen Radarsensor für den toten Winkel der Seitenspiegel eingeführt. Das reichlich unmotivierte Blinken der roten Warnlampe bei der Testfahrt durch die südschwedische Region Schonen ist freilich auf die massiv prasselnden Regentropfen zurückzuführen, die das Radar irritieren. Mit einer neuen Software soll dieses Problem noch vor dem deutschen Verkaufsstart im Juli beseitigt werden, versprechen die Volvo-Techniker.

Die wissen, welchen Ruf sie zu verteidigen haben: schwedische Sicherheit. Vier verschiedene Stahlsorten mit aufeinander abgestimmten Eigenschaften werden im neuen S 80 eingesetzt, um bei Unfällen ein optimales Dämpfungsverhalten zu schaffen. Die Elemente werden bei einem Aufprall nacheinander zusammengepresst, um Energie zu absorbieren. Um die Knautschzone zu verlängern, wurde der Motor quer eingebaut. Die Fahrgastzelle ist so konstruiert, dass Passagiere bei einem Aufprall mit bis zu 64 Stundenkilometern unverletzt bleiben. Dazu haben die Ingenieure die ausgezeichneten Sitze weiter verbessert durch eine Konstruktion, die Nackenverletzungen und ein Schleudertrauma verhindern sollen, falls ein anderes Fahrzeug von hinten auffährt. Automatisch schaltet sich übrigens die Warnblinkanlage ein, wenn der Wagen ruckartig auf unter 10 Stundenkilometer abgebremst wird. Die Scheinwerfer folgen dem Lenkeinschlag und verdoppeln dadurch in den Kurven die Sichtweite. Insgesamt also ein Wagen, der auch Frauen überzeugen könnte. Verwundert fragt man sich, warum immer noch 95 Prozent der Käufer männlich sind.

Der schwere Wagen zieht beim Test mühelos seine Spur auf den kurvenreichen und idyllischen Straßen, die so gar nichts ahnen lassen vom mörderischen Alltag von Kommissar Wallander, vorbei an Mossbystrand etwa, wo in die „Hunde von Riga“ zwei Menschen tot angeschwemmt werden und der Mörder in „Die falsche Fährte“ seinen Vater ermorden lässt. Wie beruhigend, dass das Volvo-Sicherheitssystem nicht nur den Wagen verriegelt, sondern auch aus der Ferne Herztöne fremder Personen im abgestellten Wagen anzeigt.

Der perfekt verarbeitete und sehr elegant wirkende Wagen ist selbst in der kleinsten Version mit einem Fünf-Zylinder-Diesel mit 185 PS stark genug für eine flotte Fahrt über Land. Gegen den Sechszylinder und vor allem gegen den V8-Motor mit 315 PS wirkt das Dieselaggregat freilich ziemlich ruppig und laut.

Im Fahrgastraum ist alles getan, um bei Urlaubsfahrten jeden Familienkrach zu verhindern. Die ausgezeichnete Stereoanlage ist nämlich in der Lage, simultan in zwei Modes zu arbeiten. Vorne können die Eltern die Nachrichten hören und im Fond die Kinder eine Musik-CD. Dass im Fond jetzt trotz der abfallenden Dachlinie mehr Höhe vorhanden ist, wird insbesondere große Menschen freuen, die beim Vorgängermodell immer den Kopf einziehen mussten. Bluetooth-fähige Handys werden automatisch wie fest installierte Telefone gesteuert und auch ein Ipod-Anschluss für die Lautsprecheranlage ist vorhanden.

Die Seitenspiegel legen automatisch ihre Ohren an, wenn der Wagen abgeschlossen wird, etwa um in Fridolfs Konditori in Ystad dem beständigen Regen zu entgehen. Der ständig mürrische und überarbeitete Polizist Wallander besucht in den Büchern hier regelmäßig das ziemlich schlichte Café, um dort einen Kaffee oder ein Bier zu trinken. Hinter dem Schaufenster stehen vier Tische ohne Decke, verkauft wird an der Theke Brot von gestern zum halben Preis und auf die rot-weiße Markise mit ihrem ausgeleierten mechanischen Gestänge tröpfelt draußen der Regen.

Pfiffig ist der permanent im Rückspiegel eingeblendete Himmelsrichtungsanzeiger. Ein ganz unkompliziert zu bedienender Tempomat mit Abstandssensor zum vorausfahrenden Wagen und ein auf dem Armaturenbrett gut sichtbares Informationssystem – auf Knopfdruck ausfahrbar – komplettieren das Wohlfühlpaket. Skandinavischer Luxus eben.

Der allerdings hat seinen Preis. Die preiswerteste Basisversion des um einige Zentimeter auf 4,85 Meter Länge und 1,86 Meter Breite gewachsenen Wagens mit dem 2,4 Liter Diesel ist ab 35 000 Euro zu haben, beim Modell mit dem V8-Motor steigt man bei 59 000 Euro ein. Etwa 25 000 Exemplare will Volvo jährlich in Deutschland verkaufen und setzt dabei vor allem auf den Diesel – selbstverständlich mit Partikelfilter. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte Volvo vielleicht an den Autor der in Deutschland 12 Millionen Mal verkauften Romane mit Kurt Wallander herantreten. Der hat nämlich in „Mörder ohne Gesicht“ nach einem Besuch seiner Autowerkstatt in der Industrigatan in Ystad den Entschluss gefasst, sich statt des schrottreifen Peugeots ein neues Auto zuzulegen – allerdings keinen Volvo, sondern einen Japaner.

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