zum Hauptinhalt
Gebetsraum im Gymnasium? Das Urteil des Bundesgerichts wird bald erwartet.

© Doris Spiekermann-Klaas

Weddinger Gymnasium: Bundesgericht entscheidet über Gebetsraum

Das Urteil zum Weddinger Gymnasium wird bald erwartet. Die Klage eines muslimischen Schülers hat Aussicht auf Erfolg.

Der Rechtsstreit um islamische Schulgebete am Weddinger Diesterweg-Gymnasium geht in seine möglicherweise letzte Runde. Die Schulverwaltung schickt in diesen Tagen ihre Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Wie es aus dem Gericht hieß, könnte über die Klage noch im Sommer entschieden werden. Der Streit hatte bundesweit Diskussionen über Religionsfreiheit im Schulbetrieb ausgelöst. Auch andere Schüler forderten Gebetsräume. Vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht wird ein wegweisendes Urteil erwartet.

Die Chancen für den Kläger, Yunus M., doch noch ein Recht auf sein Ritualgebet an der Schule durchzusetzen, stehen nicht schlecht: Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigt Yunus M., seine Klage habe „hinreichende Aussicht auf Erfolg.“ Deshalb muss Berlin als Prozesskostenhilfe mindestens vorerst für Gerichts- und anteilige Anwaltskosten geradestehen, selbst wenn der Schüler verliert.

Die Schulverwaltung sieht darin jedoch keine Vorentscheidung. Der Beschluss bedeute nur, dass die Rechtsfrage „bisher nicht obergerichtlich geklärt ist“, sagt Behördensprecher Christian Walther. Dem Kläger sollten nicht wegen fehlenden Vermögens die Möglichkeiten des Rechtsschutzes verkürzt werden. Auch aus Kreisen beteiligter Richter hieß es, eine Entscheidung sei offen.

Im November 2007 hatte Yunus M. seine Jacke auf dem Schulflur ausgebreitet, um gen Mekka zu beten. Direktorin Brigitte Burchardt untersagte ihm das. Sie befürchtete, dass streng religiöse Schüler Druck auf weniger gläubige ausüben könnten. Zudem seien alle großen Religionen unter den Schülern vertreten, die zu 90 Prozent nichtdeutscher Herkunft sind. Wenn alle Schüler auf ihr Gebetsrecht pochen würden, „könnte ich die Schule schließen“, sagte Burchardt.

In September 2009 hatte das Verwaltungsgericht gegen diese Haltung entschieden. Der damals 16 Jahre alte Yunus M., hieß es, dürfe in der Pause sein Gebet verrichten. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit erstrecke sich nicht nur auf die innere, sondern auch auf die äußere Freiheit – also auch auf das Beten. Von einem streng gläubigen Schüler könne nicht erwartet werden, „grundsätzlich nur außerhalb der Schulzeit zu beten“, so die Richter. Im Diesterweg-Gymnasium wurde ein ungenutztes Zimmer zum Gebetsraum umfunktioniert.

In zweiter Instanz wurde das Urteil vor einem Jahr aufgehoben. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit sei gerechtfertigt, argumentierten die Richter am Oberverwaltungsgericht. Es sei nicht möglich, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Im rituellen Gebet liege zudem ein „Konfliktpotenzial“, das den Streit um korangemäßes Verhalten verstärke und den Schulfrieden konkret gefährde. So habe es nach Darstellung der Schulverwaltung „Mobbing, Beleidigungen, insbesondere auch mit antisemitischer Zielrichtung, Bedrohungen und sexistische Diskriminierungen“ gegeben, hielten die Richter fest. Ritualgebete beeinflussten andere Schüler und seien etwas anderes als das „stille Gebet“. Der Gebetsraum am Diesterweg-Gymnasium wurde für Yunus M. deshalb wieder geschlossen.

Seit dem letzten Urteil sei der Gebetsraum „kein Thema mehr“ am Diesterweg-Gymnasium, sagt Burchardt heute. Sie habe auch nichts davon gehört, dass sich Yunus oder andere Mitschüler in der Schule zum Beten verabredet hätten. Der Schüler besucht jetzt die elfte Klasse des Gymnasiums. Schule und Senat bleiben bei ihrer Linie, wollen aber nicht mitteilen, ob es neue Argumente gibt.

Gewinnt Yunus M., ist der Rechtsstreit beendet. Unterliegt er, kann er unter Berufung auf sein Religionsgrundrecht Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erheben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false