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Ostklassen: Zuflucht für die ideologisch Unliebsamen

Die Ostklassen waren ein Ergebnis des ideologischen Kampfes, in dem die Schulen in den 50er Jahren zum Spielball wurden. Die DDR-Staatsmacht versagte unliebsamen Jugendlichen die Zulassung zur Oberschule: Töchtern und Söhnen von Ärzten und Pfarrern, Kindern von Grenzgängern, Schülern, die sich weigerten, in die FDJ einzutreten.

Die Ostklassen waren ein Ergebnis des ideologischen Kampfes, in dem die Schulen in den 50er Jahren zum Spielball wurden. Die DDR-Staatsmacht versagte

unliebsamen Jugendlichen die Zulassung zur Oberschule: Töchtern und Söhnen von

Ärzten und Pfarrern, Kindern von Grenzgängern, Schülern, die sich weigerten, in die FDJ einzutreten. Der West-Berliner Senat beschloss, ihnen eine Zuflucht zu geben. „Ich sehe es als eine politische Aufgabe an, dass West-Berlin diesen Kindern hilft“, schrieb Volksbildungssenator Joachim Tiburtius im Juni 1951 an das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen in Bonn.

Aber die Westberliner Schulen waren proppenvoll. Tiburtius wollte Aufbauklassen für die Ostschüler einrichten – das kostete Geld. Zunächst stieß er deshalb auf Widerstand – in Bonn, aber auch bei seinen Senatskollegen in Berlin. Doch Tiburtius setzte sich durch. Zum Schuljahr 1952/53 wurden an West-Berliner Gymnasien die ersten Ostklassen eingerichtet. Daten des Berliner Landesarchivs zufolge besuchten im Januar 1953 etwa 8000 Ostschüler eine Schule in West-Berlin.

Dass für die Ostschüler eigens Russischunterricht eingeführt wurde – eine andere Fremdsprache hatten diese ja in der DDR nicht gelernt – war ein Politikum: Viele West-Berliner Eltern hatten Angst, die Neuankömmlinge würden bevorzugt. Die Ost-Berliner Eltern wiederum mussten zähneknirschend akzeptieren, dass ihre Kinder nicht alles in der DDR Gelernte hinter sich lassen konnten.

Die Rolle der Schulsysteme im Kalten Krieg ist Inhalt der Dissertation von Veronika Wabnitz am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam; die Doktorandin hat auch das Nachwort für das Buch der Abiturienten von 1961 geschrieben. Dem Buch liegt außerdem eine Dokumentation der Deutschen Welle bei, in der Karin und Karl-Heinz Albert die Geschichte ihrer Flucht und vom Tod ihres Freundes Dieter Wohlfahrt erzählen. Das Buch, das in kleiner Auflage erschienen ist, gibt es in Jürgen Schleichers Buchhandlung in Dahlem (www.schleichersbuch.de). kba

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